Camel Club 02 - Die Sammler
sieht den Tatsachen ins Auge. Wenn er uns Fallen stellt, müssen wir uns herauswinden, sonst …«
»Schon gut. Was dann passiert, ist uns völlig klar.«
Stumm sahen er und Annabelle durch den Saal Jerry Bagger und dessen Korona nach, als diese das Kasino verließen, sich auf eine kleine Fahrzeugkolonne verteilten und abfuhren, vielleicht, um jemandem, der den Kasinokönig um dreißig Mäuse betrogen hatte, die Kniescheiben zu zertrümmern. Da mochte man gar nicht erst daran denken, was er mit jemandem anstellte, der ihn um 30 Millionen erleichterte.
KAPITEL I 8
KAPITEL I 8
Gegen Ende der Woche fühlten sie sich bereit. Annabelle zog ein nachtschwarzes Kleid, Stöckelschuhe und ein Minimum an Schmuck an. Sie hatte jetzt eine blonde Igelfrisur. Mit den Fotos im Schwarzbuch hatte sie nicht die geringste Ähnlichkeit. Leos Äußeres war noch gründlicher verändert worden. Das Haar seiner Perücke war grau und schütter und hatte ausgeprägte Geheimratsecken. Er trug einen kleinen Ziegenbart, einen dreiteiligen Anzug und eine schmale Brille auf der Nase.
»Weißt du, was mich stört?«, sagte er zu Annabelle. »Dass wir andere Abzocker in die Scheiße reiten.«
»Die würden das Gleiche mit uns tun, wenn sie die Gelegenheit hätten, sich Millionen an Land zu ziehen. Außerdem sind die Leute, die wir aufs Korn genommen haben, eher mittelmäßig. Früher oder später fliegen sie ohnehin auf. Und es geht ja nicht zu wie in den alten Zeiten. Es werden keine Leichen mehr in der Wüste verbuddelt oder im Atlantik versenkt. Wettspielbetrug gilt heutzutage als Vergehen. Man blecht eine Geldstrafe oder sitzt ein paar Tage ab, verlegt das Betätigungsfeld auf die Schiffskasinos im Mittelwesten oder räumt in den Indianer-Kasinos von Neuengland ab, bis genug Zeit verstrichen ist. Dann wechselt man die Tarnung, kommt zurück und fängt von vorn an.«
»Trotzdem, es sind doch Kollegen.«
Annabelle zuckte mit den Achseln. »Wenn du dich wohler fühlst, besorg ich mir die Namen und schicke jedem als Entschädigung zwanzig Riesen.«
Leos Miene bewies, dass ihm die Idee gefiel. »Na gut«, sagte er, »aber nimm’s nicht von meinem Anteil.«
Sie hatten sich von Freddy und Tony getrennt und in einem der besten Hotels im Umkreis der Landungsbrücke einquartiert. Von nun an sollte es keinen direkten Kontakt zu den beiden anderen Männern mehr geben. Bevor sie sich verabschiedeten, hatte Annabelle ihnen – vor allem Tony – noch einmal eingeschärft, stets daran zu denken, dass es in der Stadt von Spitzeln wimmelte. »Werft nicht mit Geld um euch, macht keine scherzhaften Andeutungen und sagt nichts, was den Rückschluss erlauben könnte, dass hier eine Riesen-Abzocke läuft. Ein Versprecher kann das Ende bedeuten.« Sie richtete den Blick auf Tony. »Das ist jetzt der Ernstfall«, fügte sie hinzu. »Keine Schnitzer mehr.«
»Ich halte dicht, Annabelle, ich schwör’s.«
Mit einem Taxi fuhren Leo und Annabelle zum Kasino Pompeji und nahmen unverzüglich ihre Beobachtungstätigkeit auf. Annabelle hatte ein Abzockerteam im Auge, das in sämtlichen Kasinos in der Umgebung der Landungsbrücke am Roulettetisch die Nummer mit der Nachwette abzog. Es gab verschiedene Formen des Nachwettens, das seinen Namen von einem betrügerischen Trick beim Pferdewetten hatte, bei dem der Einsatz erst gemacht wurde, wenn man das Ergebnis des Rennens kannte. Beim Roulette bestand die Methode darin, unbemerkt Chips mit hohem Wert auf die Gewinnzahl zu setzen, nachdem die Kugel ausgerollt war. Manche Trickser gingen anders vor: Der Spieler versteckte teure Chips unter einem Stapel Chips mit geringem Wert, ehe die Kugel rollte. Verlor die Zahl, entfernte der Spieler unauffällig die teuren Chips, gewann sie, brauchte er nur unter den Augen des Croupiers Freudenschreie auszustoßen. Letztere Variante hatte den Vorteil, dass sie die leistungsfähigen Deckenkameras überlistete, weil man sie ausschließlich auf Gewinner richtete. Dann zeigten die Aufnahmen, dass der Spieler die Chips nicht getrickst hatte, weil er eine heimliche Chip-Rücknahme ja nur dann vornahm, wenn er verlor. Diese Nachwetten beim Roulette erforderten viel Übung, ein Gespür für das richtige Timing, Geduld, natürliche Begabung und vor allem eiserne Nerven.
Früher waren Annabelle und Leo wahre Meister im Nachwetten gewesen. Doch die Überwachungstechnik, die heute in den meisten Kasinos eingesetzt wurde, verringerte die Erfolgsaussichten erheblich, sodass nur noch
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