Camel Club 02 - Die Sammler
die allerbesten Abzocker über längere Zeit am Ball bleiben konnten. Außerdem hatte diese Methode den Nachteil, dass man sie in einem Kasino nur eine bestimmte Zeit lang anwenden konnte, um nicht aufzufallen; deshalb mussten Wetten und Einsätze hoch genug sein, um das Risiko zu rechtfertigen.
Leo behielt an einem Blackjack-Tisch einen Gentleman im Auge, der ausdauernd spielte und eine beachtliche Gewinnsträhne hatte. Die Glückssträhne war nicht so spektakulär, als dass sie Verdacht erregt hätte, doch Leo überschlug im Kopf, dass der Mann unter dem Strich deutlich mehr einsackte als die Mindestentschädigung für die Mühe, auf dem Hintern zu sitzen und kostenlose Drinks zu kippen. Übers Handy kontaktierte er Annabelle.
»Bist du so weit?«, fragte er.
»Anscheinend gehen meine Nachwetter gleich wieder zum Angriff über, also lass uns zuschlagen.«
Annabelle ging zu einem gedrungenen Mann, in dem sie den Saalchef erkannte, und flüsterte ihm Informationen ins Ohr, indem sie mit dem Kinn auf den Roulettetisch wies.
»An Tisch Nummer sechs findet ein dreigestaffelter Präzisionsfischzug statt«, raunte sie. »Die zwei Frauen rechts sind Komplizinnen. Der Trickser sitzt am unteren Ende des Tischs. Der Claimer ist der Dünne mit Brille links hinter dem Croupier. Verständigen Sie Ihre Observierer, dann können die mit den Deckenkameras beobachten, wie die Chip-Rücknahme erfolgt.«
Roulettetische waren so groß, dass die Überwachung routinemäßig mit zwei Deckenkameras vorgenommen wurde; eine blieb ausschließlich auf das Rouletterad gerichtet, eine andere erfasste die gesamte Tischfläche. Das Problem war, dass der Observierer jeweils nur eine Kamera bedienen konnte.
Der Saalchef blickte Annabelle verblüfft an, durfte ihre offenbar sachkundigen Angaben aber auf keinen Fall ignorieren. Sofort erteilte er per Headset-Mikrofon Anweisungen.
Unterdessen wandte Leo sich an den Saalchef der Nachbarabteilung. »An Blackjack-Tisch fünf ist ein Betrüger zugange und macht den Mischmuffel«, raunte Leo. »Der Spieler auf Platz drei hat einen Kartenzähler am rechten Oberschenkel befestigt. Aus geringem Abstand kann man unter dem Hosenbein die Umrisse erkennen. Im rechten Ohr hat er einen Empfänger stecken, der die Signale des Computers registriert. Die Deckenkamera kann das Abheben nicht verfolgen, weil es von den Armbewegungen des Spielers verdeckt wird, aber mit einer Handkamera lässt er sich leicht ertappen, wenn man von der Seite filmt.«
Wie bei Annabelle brauchte der Saalchef nur wenige Sekunden, um alles Nötige zu veranlassen: Augenblicke später erschien ein Mitarbeiter des Kasinos mit einer Handkamera.
Fünf Minuten später führten Hausdetektive die entgeisterten Trickbetrüger ab, und die Polizei war schon unterwegs.
Weitere zehn Minuten später betraten Annabelle und Leo einen Teil des Kasinos, in den man keiner zockwütigen Oma jemals Zugang gewährt hätte, auch wenn ihr Rentenscheck geplatzt wäre.
Hinter dem großen Schreibtisch seines protzigen Büros erhob sich Jerry Bagger. Zwar hatte er die Hände in den Taschen, doch an seinen Handgelenken und um den kräftigen braunen Hals funkelten augenfällige Klunker.
»Entschuldigt, wenn ich mich nicht bedanke, weil ihr mir den Verlust von ein paar lausigen Riesen erspart habt«, blaffte er mit einer Stimme, die seine Herkunft aus Brooklyn verriet. »Ich bin’s nur nicht gewöhnt, dass Leute mir Gefälligkeiten erweisen. Dann sträuben sich mir nämlich die Nackenhaare. Und das mag ich gar nicht. Ich will, dass sich bei mir nur aufrichtet, was ich im Hosenstall habe.«
Die sechs anderen Männer im Büro, alle in teure Anzüge gekleidet, deren breite Schultern sich nicht durch Polster erklärten, musterten Leo und Annabelle, hielten dabei die Hände vor dem Bauch gefaltet.
Annabelle trat vor. »Wir haben es nicht aus Gefälligkeit getan, sondern aus einem anderen Grund: damit wir Ihnen vorgestellt werden.«
Bagger spreizte die Hände. »Und jetzt seid ihr da, und ich stehe vor euch. Und was nun?«
»Wir möchten ein Angebot unterbreiten.«
Bagger verdrehte die Augen. »Ah, jetzt kommt’s.« Er setzte sich auf eine Ledercouch, nahm aus einer Schale auf dem Couchtisch eine Walnuss und knackte sie nur mit der Rechten. »Jetzt versprecht ihr mir, ihr könnt meinen Geldspeicher füllen, stimmt’s? Tja, ich hab aber schon einen vollen Geldspeicher.« Er verzehrte die zerbröckelte Nuss.
»Ja. Und gleichzeitig können Sie dem Heimatland
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