Camel Club 04 - Die Jäger
Marshall, den jeder nur »Marsh« rief, hatte drei Jahre lang Hayes’ direkter Befehlsgewalt unterstanden. Deshalb hatte er schon auf Erden eine ungefähre Vorstellung von den Zuständen in der Hölle gewonnen, sollte er einmal dort enden.
Knox erklärte Saunders, was er gerne sehen würde. Sofort zog Saunders eine Miene des Unbehagens. »Dafür muss ich den Mann erst anrufen.«
»Ist mir schon klar«, antwortete Knox. »Ich hatte diese Eingebung erst auf der Fahrt zu euch, sonst hätte ich mir die Bewilligung längst eingeholt. Ich glaube aber nicht, dass es ein Problem gibt.« Er zeigte das breiteste Lächeln, das er zustande brachte. »Falls ich spurlos verschwinde, weißt du, dass ich mich geirrt habe.«
Der geschmacklose Scherz nötigte Saunders nicht einmal ein Zucken der Mundwinkel ab. Knox merkte, wie die Anspannung ihm plötzlich das Hemd in den Hintern zu ziehen drohte.
Saunders tätigte den Anruf und reichte Knox den Hörer.
»Was ist los, Knox?«, knurrte Hayes. In Knox’ Ohren klang seine Stimme wie das ferne Donnergrollen eines nahenden Unwetters.
»Ich bin auf einen neuen Ansatz gestoßen, Sir, muss dafür aber ein paar zusätzliche Recherchen vornehmen.«
»Erläutern Sie mir diesen Ansatz. Aber vorher soll Marsh das Büro verlassen.«
Knox schaute seinen Bekannten an, der den Blick sofort richtig deutete, sich erhob und verschwand. Falls es ihn ärgerte, aus dem eigenen Büro geschickt zu werden, war er klug genug, es sich nicht anmerken zu lassen.
Knox umklammerte fest den Telefonhörer. »Ich habe über eine bestimmte Sache in Carrs Vergangenheit nachgedacht.«
»Was meinen Sie damit?«
»Seine Zeit als Drei-Sechser.«
»Knox …«
»Ich weiß, was Sie gesagt haben, Sir, aber hören Sie sich bitte meine Theorie an. Wenn Carr ein Drei-Sechser war und einige seiner Exkollegen liquidiert wurden …«
»Das alles ist tabu!«
»Mir ist klar, dass Finn und seine Lebensgeschichte tabu sind«, sagte Knox, »aber wenn ich Carr aufspüren soll, muss ich den Hintergrund dieses Mannes kennen.«
»Ich glaube kaum, dass das von Bedeutung …«
Knox hatte diesen Einwand erwartet und unterbrach den General: »Mit allem gebotenen Respekt, Sir, aber wenn Sie an meiner Stelle entscheiden möchten, was relevant ist und was nicht, dann beauftragen Sie jemand anders mit den Ermittlungen.«
»Ich behaupte nicht …«
»Wenn Sie Resultate wünschen, General, muss ich die Ermittlungen nach meinen Vorstellungen betreiben können. Sie haben mich herangezogen, damit ich einen Auftrag erledige. Also lassen Sie mich meine Arbeit tun.«
Während er Hayes’ Entgegnung abwartete, atmete Knox tief durch, denn seine Insubordination konnte bittere Konsequenzen haben. Zum Beispiel, indem man ihn nach Afghanistan abschob, damit er in den Bergen an der pakistanischen Grenze ein bisschen Abenteuerfreizeit mit Osamas Gotteskriegern verlebte.
»Ich höre, Knox.«
Sofort rasselte Knox herunter, was er sich zurechtgelegt hatte. »Carr weiß, dass wir nach ihm fahnden. Eigentlich ist er ja schon seit langem auf der Flucht, aber er bleibt seinen Freunden treu. Derzeit will er so weit von ihnen fort sein wie möglich. Dennoch braucht er Unterstützung und Hilfe.« Knox schwieg, um den Köder wirken zu lassen. Er wollte, dass Hayes selbst die entscheidende Schlussfolgerung zog.
»Sie befürchten, er könnte sich mit Bitte um Beistand an ein paar alte Drei-Sechser wenden?«
Vielen Dank, lieber Gott. »Betrachten Sie die Situation mal aus seiner Sicht, General. Carr ermordet Gray und Simpson und verschwindet dann. Seinen zivilen Freunden darf er sich nicht mehr nähern. Ihm ist klar, dass er den gesamten Geheimdienst im Nacken hat und sich deshalb woanders Hilfe suchen muss. Die übrigen ehemaligen Drei-Sechser sind längst in Pension und leben inkognito wer weiß wo. Falls ich Hinweise auf sie finde und Carr sich in ihrem Dunstkreis bewegt, kann ich sie beschatten oder Informationen aus ihnen herausquetschen, und dann ergäbe sich vielleicht eine Chance, den Mann zu fassen. Es wäre eine Art Abkürzung, aber sie könnte Erfolg haben. Ich weiß, dass es Ihnen egal ist, wie wir ihn erwischen, solange es nur gelingt. Und Sie wissen so gut wie ich – die Wahrscheinlichkeit, dass Carr uns Schaden zufügt, wächst mit jedem Tag, an dem er frei herumläuft.«
Als Knox uns sagte, meinte er in Wahrheit Ihnen.
Wieder musste er warten. Fast glaubte er die Synapsen im Hirn des Ex-Generals knistern zu hören, während dieser
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