Camel Club 04 - Die Jäger
hatte sie offenbar auch nicht weiterverfolgt. Knox fragte sich, ob Finns rätselhafte Immunität damit zusammenhängen könnte. Doch diese Frage beschäftigte ihn nicht lange. Er hatte selbst genug am Hals.
Die offiziellen Akten enthielten keinen Verweis auf einen möglichen Wunsch Carrs, bei der Abteilung 666 auszusteigen. Knox hatte auch nicht damit gerechnet. Persönliche Gefühle, am wenigsten solche feindseliger Natur, fanden niemals Aufnahme in amtliche Unterlagen. Aber es stimmte, dass Carr eine Familie gehabt hatte. Diese Information hatte man pflichtgemäß in den Akten vermerkt, und sei es nur zu Zwecken der Sicherheit oder der Erpressung.
An einem bestimmten Datum, das mehr als dreißig Jahre zurücklag, war Carr amtlich als verschollen erfasst worden. Als Knox diese Aufzeichnungen mit anderen, zuvor beschafften Informationen abglich, stieß er auf die verwunderliche Tatsache, dass Sergeant John Carr nur wenige Tage später wieder in den Personallisten der Army geführt wurde, um dann nach kurzer Zeit unter mysteriösen Umständen ums Leben zu kommen und auf dem Nationalfriedhof Arlington bestattet zu werden.
Stone und Carr waren ein und derselbe Mann, so viel stand fest. Den Verdacht hatte es schon lange gegeben, und nun war er bestätigt worden. Stone hatte der Abteilung 666 den Rücken gewandt. Kurze Zeit später hatte man auf dem Nationalfriedhof Arlington einen leeren Sarg in die Erde gesenkt, und auf dem weißen Schild hatte sein Name gestanden.
Später an diesem Morgen schenkte Knox sich eine Tasse Kaffee ein, trank ihn an der Arbeitsfläche der Küche und ließ den Blick über die vielen persönlichen Gegenstände schweifen, die Patty gehört hatten. Nach ihrem Tod hatte er kaum etwas verändert. Selbstverständlich war das Haus ihr gemeinsames Heim gewesen, aber geprägt hatte es Pattys Einfluss. Knox hatte mehr Zeit in fremden Ländern als in der Heimat verbracht. Das gehörte zu seinem Beruf. Hier dagegen war Pattys Reich gewesen. Nach ihrem Tod hatte Knox zusehends das Gefühl entwickelt, nur Mieter zu sein.
Im D. C. hatte er ein Zeitungsarchiv der Bundesregierung aufgesucht. Die Regierung verschleuderte eine Menge Geld, aber manchmal stellte sie damit auch etwas Nützliches an. In seiner letzten Dienstzeit bei der Abteilung 666 hatte Carr seinen Dienst im Gebiet von Brunswick, Georgia, versehen; in seiner offiziellen Tarnexistenz war er Ausbilder im damals noch relativ neuen FLETC gewesen, dem Federal Law Enforcement Training Center, einer Ausbildungsstätte für US-Bundespolizeieinheiten und verschiedene internationale Polizeibehörden. Anhand der Tagesberichte hatte Knox festgestellt, dass Carr sich durch auffällig häufige Abwesenheit von seinem Posten ausgezeichnet hatte und dass immer dann Personen starben oder spurlos verschwanden, die den USA feindselig gegenüberstanden.
Vor allem hatte Knox das Zeitungsarchiv nach etwas Bestimmtem durchforscht und es nach stundenlangem Suchen gefunden. Ein Artikel in einem Brunswicker Lokalblättchen berichtete über das Verschwinden eines ortsansässigen Ehepaars und dessen zweijähriger Tochter. Das körnige Foto einer Frau zeigte angeblich eine gewisse Claire Michaels. Ihr Ehemann John und die Tochter Elizabeth seien gleichfalls wie vom Erdboden verschluckt. In dem Artikel stand, John Michaels sei als Ausbilder im FLETC tätig gewesen. Knox achtete auf weitere Meldungen über den Fall oder eine mögliche polizeiliche Aufklärung, entdeckte aber nichts. Wie üblich hatte die CIA alles untergepflügt und den Verdacht auf eine naheliegende, aber wenig konkrete kriminelle Szene gelenkt.
Knox betrachtete die aus dem Archiv mitgebrachte Kopie des alten Schwarzweißfotos Claire Michaels’. Er fragte sich, ob die winzigen Überreste einer anderen Fotografie dieser Frau jetzt im Schusskanal in der Brust eines Senators aus Alabama steckten. Knox hätte darauf gewettet, dass auch das Foto, das an dem Morgen, als Senator Simpson die Kugel traf, in seiner Tageszeitung klebte, John Carrs Ehefrau Claire gezeigt hatte.
Also gut. Finn hatte die Wahrheit gesagt. Weil Carr aussteigen wollte, hatte man seine Familie ausgelöscht. Knox konnte kaum glauben, dass seine Regierung einen Mann, der ihr so viele Jahre treu gedient hatte, so mies behandelte, doch in der Realität konnte es sich durchaus so abgespielt haben.
Knox schlenderte in sein mit Bücherregalen gesäumtes Arbeitszimmer. Er jagte einen Mann, den die eigene Regierung hintergangen hatte. Gewiss,
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