Camel Club 04 - Die Jäger
dreihundert Meter unter der Erde muss man sich um viele Dinge Sorgen machen, besonders um das Kohlendioxyd, das einen ersticken kann, und das explosive Methangas. Das Methan hat Sam dann auch getötet, weil das Messgerät defekt war, das die Zeche ihm gegeben hatte, um einen neuen Flöz zu überprüfen. Dabei wusste man von dem Defekt. Die Explosion hat den Stollen zum Einsturz gebracht, und das war’s dann.«
Stone wusste nicht, was er sagen sollte; also betrachtete er stumm seine Hände.
»Tja, Divine erlebt zurzeit einen regelrechten wirtschaftlichen Boom«, fuhr Abby fort. »Kohle und Erdgas werden in riesigen Mengen gefördert. Aber eins ist komisch.«
»Und was?«
»Die meisten Leute hier in der Gegend verwenden Propangas oder Holz zum Heizen und Kochen, keine Kohle und kein Erdgas. Vielleicht kennt sonst niemand den wahren Preis, den man zahlen muss, um das Zeug aus der Erde zu holen, aber wir kennen diesen Preis sehr genau. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Ja.«
»Ein junger Mann, der frisch von der Highschool kommt und die Urinuntersuchung besteht, bekommt im Bergbau zwanzig Dollar die Stunde. So hohe Löhne gibt es sonst nirgends. Aber wenn die Männer fünfunddreißig sind, haben sie den Rücken kaputt, die Lungen voller Dreck und sehen aus wie Siebzigjährige.« Abby kehrte in die Gegenwart zurück und schaute Stone wieder an. Im rechten Augenwinkel glänzte eine Träne. »Also, gehen Sie oder bleiben Sie?«
»In diesem Zustand lasse ich Sie nicht allein, Abby.« Falls das eigene Zugeständnis Stone überraschte, merkte man es ihm nicht an.
Abby drückte seinen Arm. Vor Schmerz stöhnte Stone unwillkürlich auf.
»Was ist?«, fragte Abby beunruhigt.
»Nichts. Es ist nichts.«
»Ben, was ist?«
»Einer der Schläger hat mich mit dem Baseballschläger am Arm erwischt.«
»O Gott. Warum haben Sie nichts gesagt?«
»Ist nicht der Rede wert.«
»Ziehen Sie das Hemd aus.«
»Was?«
»Ziehen Sie’s aus.« Langsam legte Stone das Hemd ab.
»Du lieber Himmel«, rief Abby.
An Stones linkem Oberarm war ein geschwollener, schwärzlicher Bluterguss von der Größe einer Walnuss zu sehen; eine weitere blaurote Verfärbung reichte bis zum Unterarm. Abby eilte zum Kühlschrank, kam mit einer Eispackung zurück und legte sie auf die Schwellung. »Sie mögen ja ein Held sein, aber das heißt noch lange nicht, dass Sie so dumm sein müssen«, schimpfte sie. »Und falls …« Ihr Blick verharrte auf seinem Brustkorb und dem anderen Arm. Auch Stone senkte den Blick und sah, dass sie seine alten Narben bemerkt hatte, die von Messerstichen und Schusswunden stammten. In ihren Augen stand eine stumme Frage.
»Nicht nur Bergarbeiter haben Narben«, sagte Stone halblaut.
* * *
Eine halbe Stunde später kehrte Abby zurück ins Zimmer. Stone sah, dass sie sich umgezogen hatte, und ihr Haar duftete nach Duschgel und Shampoo. Sie blickte ihn auf undeutbare Weise an, während sie noch einmal seinen Arm untersuchte. »Fühlt es sich besser an?«
»Ja, ziemlich gut.«
»Ausgezeichnet.« Sie beugte sich vor, küsste ihn und schlang die Arme um seine Taille. Er spürte, wie ihre Fingernägel sich leicht in seinen Rücken drückten. Ehe er sich versah, erwiderte Stone den Kuss. Abbys Lippen schmeckten köstlich.
Eine Hand Stones glitt über ihren Rücken und zog sie an sich; dann aber wich er zurück. »Abby, ich glaube, es wäre nicht …«
Sie legte ihm eine Hand auf den Mund. »Schon gut. Komm mit.«
Abby nahm ihn an der Hand und führte ihn die Stiege hinauf ins Schlafzimmer. Sie schloss die Tür und gab ihm mit einem Wink zu verstehen, dass er sich aufs Bett setzen sollte. Dann stellte sie sich vor ihn und zog sich aus.
Stone bewunderte ihren schlanken, biegsamen Körper und ihre festen Brüste. Ihm fiel auf, dass sie an der linken Hüfte ein kleines Kreuz tätowiert hatte. Sie schmiegte sich an ihn. Ihre Hände streichelten seine Schultern und den Rücken, während sie ihm gedämpfte Seufzer ins Ohr hauchte. Behutsam streifte sie ihm die Hose herunter.
Später lagen sie Seite an Seite auf dem Bett, und Abby strich mit der Hand zärtlich über die Härchen auf seinem Arm.
»Seit Sams Tod bin ich nie mehr mit einem Mann intim gewesen.« Sie drehte sich auf den Bauch und stützte das Kinn auf die Arme. »Kein einziges Mal.«
»Du musst aber mehr als genug Gelegenheiten gehabt haben, Abby. Du bist schön.«
Sie küsste ihn auf die Wange und lächelte. »Gelegenheiten hatte ich, aber mir fehlte die
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