Camel Club 04 - Die Jäger
Stone darauf gefasst, einen Biss zu spüren. Als er den Deckenbalken erreichte, den er zuerst entdeckt hatte, reckte er sich und packte das Metallgitter der Schutzkorbleuchte. In der Hoffnung, dass es sein Gewicht trug, zog er sich daran hoch, beugte die Beine und hob sie an die Brust. Sein verletzter Arm bereitete ihm heftige Schmerzen, doch er konzentrierte sich mit aller Willenskraft auf sein Vorhaben und achtete nicht auf den Schmerz. Im Ausbildungslager Murder Mountain der Abteilung 666 hatte man sich bestens darauf verstanden, solche mentalen Fähigkeiten zu vermitteln; es gab dort Experten für das Zufügen aller Arten körperlichen und seelischen Leids.
Stone pendelte vor und zurück und schwang sich dann, einen Arm ausgestreckt wie an einer Turnstange, durch die Luft vorwärts, wie er es im Training gelernt hatte. Seine Hand packte die nächste Schutzkorbleuchte. Er ließ die Knie angezogen und löste den Griff von der Leuchte hinter ihm. Auf diese Weise bewegte er sich unter der Decke vorwärts. Zwar bestand noch immer die Möglichkeit, dass eine Schlange emporschnellte und ihn in den Hintern biss, doch Stone zog es vor, diesen Gedanken erst gar nicht zu vertiefen.
Vier Balken weiter – nachdem er einmal ins Leere gegriffen hatte und beinahe abgestürzt wäre – verharrte Stone, ließ sich baumeln, die Knie noch an die Brust gedrückt, und lauschte. Das Rasseln war verstummt. Aber er wollte lieber noch nicht auf den Boden zurück. Also schwang er sich weiter durch die Dunkelheit, bis er mit der nach vorn ausgestreckten Hand nur noch Felsen berührte.
Scheiße.
Hatte er die falsche Richtung eingeschlagen? Waren die Schlangen an ihm vorbeigekrochen, als er bewusstlos gewesen war? Hatten diejenigen, die ihn hier eingesperrt hatten, seine Überlegungen vorausgeahnt und die Schlangen von vornherein auf der anderen Seite ausgesetzt? Oder war das Ganze bloß ein Albtraum, aus dem er jeden Augenblick erwachte?
Da die Belastung seine Arme immer mehr anstrengte, senkte Stone mit aller Vorsicht die Füße und kam auf festem Untergrund zu stehen. Wieder streckte er die Arme nach den Seiten aus und versuchte die Breite des Stollens einzuschätzen. Mit einer Hand berührte er Felsen, sodass die Schlussfolgerung nahelag, dass er sich in einer Sackgasse befand; aber die andere Hand griff ins Leere. Stone bewegte sich in dieser Richtung voran, doch da war nichts. Im ersten Moment war er ratlos, dann aber kam ihm die Erleuchtung.
Du Blödmann.
Er stand in einer Abzweigung des Stollens. Stone orientierte sich neu, tastete sich mit den Fingern an der Wand entlang vorwärts und lauschte wachsam auf Klapperschlangengerassel. Zehn Minuten später stieß er gegen Holz.
Der Eingang des Bergwerks musste vernagelt worden sein, denn am Unterrand der Bretter konnte er einen schmalen Streifen Helligkeit erkennen. Stone überlegte kurz; dann trat er ein paar Schritte zurück, nahm Anlauf, rammte die Holzwand mit voller Wucht – und saß augenblicklich mit geprellter Schulter auf dem Hintern.
Fluchend wollte er sich aufraffen, hielt aber plötzlich still. Seine Finger hatten Metall gestreift, das halb begraben im Dreck lag. Der Gegenstand war lang und dünn. Als Stone die Finger darum schloss, erkannte er, dass die Stange ein flaches, spatelförmiges Ende hatte, ähnlich wie ein Schraubenzieher.
Stone schob dieses Ende seitlich in die Holzwand und versuchte die Bretter auszuhebeln. Er spürte, dass die Nägel der Verriegelung ein wenig nachgaben. Dann setzte er die Eisenstange an einer anderen Stelle an und stemmte sich mit dem ganzen Körpergewicht dagegen. Während der Schufterei rutschten und glitten ihm die Füße immer wieder weg.
Zwanzig schweißtreibende Minuten später barst die obere rechte Ecke der Bretterwand, und ein größerer Lichtkegel fiel in den Stollen. Ermutigt von diesem Durchbruch bot Stone nun alle Kräfte auf, und noch einmal zwanzig Minuten später gelang es ihm, die Bretter weit genug vom Rahmen wegzubiegen, dass er sich durch den entstandenen Spalt zwängen konnte. Rücklings fiel er in den Staub.
Frei!
Erleichtert atmete er durch. Dann blinzelte er und spähte in die Umgebung, um festzustellen, ob er sie kannte. Das war nicht der Fall. Vor dem alten Bergwerk verlief ein schwarz gefärbter Fahrweg. Stone brauchte einen Augenblick, um die Ursache zu begreifen: Jahrelang hatten Kohlelaster das Schwarze Gold abtransportiert; dabei hatten ihre Reifen schwarzen Staub und Grus in die rötliche Lehmerde
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