Camel Club 04 - Die Jäger
Lust.«
»Sogar auf Tyree?«
»Wir kennen uns von Kindesbeinen an. Als wir an der Highschool waren, hatten wir mal ein Date, aber der Funke ist nicht übergesprungen. Ich habe das Gefühl, heute ist sein Interesse größer. Er hat nie geheiratet, aber ich empfinde nicht so wie er.«
»Bei mir ist es auch lange her. Sehr lange.« Stone fragte sich, ob Claire missbilligt hätte, was er eben getan hatte. Nach Jahrzehnten der Einsamkeit hätte sie vielleicht Verständnis gehabt.
»Wegen Mangel an Gelegenheiten? Oder aus Mangel an Lust?«
»Beides.«
Er drehte sich auf die Seite und streichelte ihren Rücken. Sie räkelte sich und lächelte, und bei ihrem Anblick lächelte auch Stone. Ihre Zöpfe hatten sich gelockert, und mehrere Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht. Stone strich eine Strähne beiseite und sah in ihre grünen Augen.
»Hast du wirklich noch nie mit dem Gedanken gespielt, Divine zu verlassen?«
»Ich denke ständig daran.«
»Und wieso bist du nie fortgegangen?«
»Aus Feigheit, nehme ich an. Divine ist ein kleines Nest, aber hier kenne ich mich aus. Es ist schwierig, an einem anderen Ort ganz von vorn anzufangen.«
»Da magst du recht haben.« Stone legte sich wieder auf den Rücken.
Abby drängte sich an ihn und bewegte ihren Oberschenkel an seinem Bein auf und ab. »Hast du jemals daran gedacht, sesshaft zu werden?«
»Oft. Einmal glaubte ich schon, den passenden Ort gefunden zu haben, aber das hat sich als Irrtum herausgestellt.«
»Was ist denn passiert?«
»Es ging einfach nicht gut.«
Das Telefon läutete. Abby schaute auf die Uhr. »Wer ruft denn um diese Zeit noch an?«
»Vielleicht die Klinik.«
»Ich habe doch vor dem Frühstück noch mit den Ärzten gesprochen. Und mit Danny. Da war alles in Ordnung.«
»Vielleicht ist es das Restaurant. Die Leute möchten ja auch ihr Frühstück haben.« Stone war froh, dass das Gespräch eine andere Richtung genommen hatte.
»Da habe ich schon angerufen. Meine Mitarbeiter haben rechtzeitig geöffnet.«
Abby kletterte über Stone hinweg und nahm den Hörer vom Telefon. Stone legte eine Hand an ihr Gesäß und knetete es. Sie lächelte, fasste seine Hand und versetzte damit der eigenen Hinterbacke einen kräftigen Klaps. Dann ließ sie die Hand los.
»Was? Ach so.« Sie sah Stone an. »Nein, er ist nicht da. Ja, klar. Sicher, wenn ich ihn sehe, kann ich ihn fragen. Bis dann.« Sie legte den Hörer auf, zog sich ein Kissen auf den Schoß und kauerte sich im Schneidersitz vor Stone.
»Wer war das?«
»Charlie Trimble. Er hat von dem Überfall auf Danny und von deinem Eingreifen gehört. Er möchte dir ein paar Fragen stellen. Und diesmal macht er einen sehr entschlossenen Eindruck.«
»Schön für ihn, aber meine Einstellung hat sich nicht geändert. Ich beantworte keine Fragen.«
»Ben, hör zu. Wenn du nicht willst, dann willst du nicht, okay. Aber wenn du Charlie dauernd abweist, fängt er erst recht zu recherchieren an. Wenn du wirklich nichts zu verbergen hast – schön. Aber vielleicht wäre es klüger, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Dann wird er sich darauf konzentrieren, was geschehen ist, statt auf deine Person.«
Stone lächelte. »Du bist schön und klug zugleich.«
»Ich habe nun mal Glück gehabt.«
»Hast du seine Telefonnummer?«
»Ja, aber du kannst ihn auch in seiner Redaktion aufsuchen. Sie ist vom Restaurant aus gleich um die Ecke. Du kannst sie nicht verfehlen.«
»Bitte ruf ihn an und sag ihm, dass ich im Laufe des Nachmittags bei ihm aufkreuze.« Stone stand auf, um sich anzuziehen.
»Am Nachmittag erst?«, sagte Abby. »Bis dahin könnten wir noch eine Menge anstellen …«
»So verlockend sich das anhört, ich muss wirklich dringend etwas erledigen.«
»Und was?«, fragte Abby ein wenig gekränkt.
»Ich erzähl’s dir, wenn es erledigt ist.«
Als Stone sich angezogen hatte, fuhr er mit Willies Dodge zu dem Wohnmobil. Nach einigen Minuten gründlicher Suche fand er das Tylenol-Fläschchen. Allerdings war es leer. Hatte Willie auch die letzten Tabletten geschluckt, es dann aber vergessen? Wo waren die Oxycodon-Pillen? Warum war das leere Pillenfläschchen in der Schublade liegen gelassen worden?
Doch während Stone sich in dem Durcheinander umschaute, das Willie Coombs sein Zuhause nannte, musste er einsehen, dass ein leeres Fläschchen in diesem Saustall schwerlich irgendeine Beweiskraft haben konnte. Dennoch mochte es wichtig sein. Vielleicht war ja Shirley Coombs auf die Pillen scharf
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