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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch
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dran. Wenn Sie Ihren katholischen Gott-h zum Wärter dieses Gefängnisuniversums machen, trifft für Sie Aquinas’ unsinnige und spitzfindige These zu, daß wir nur in der Unterwerfung unter Seinen Willen frei sein können. In Wirklichkeit aber wird man, wie Luzifer sehr wohl wußte, wie ich weiß und wie Sie bereits ahnen, nur dadurch frei, daß man Ihm Verachtung zeigt.«
    »Und Sie wissen auch, welchen Preis man dafür zahlt.«
    »Der Preis der Sünde ist der Tod, aber der Tod ist auch der Preis der Tugend. Sie müssen sich also eine bessere Abschreckung ausdenken. Die Hölle vielleicht? Hier ist die Hölle, ich entkam ihr nicht! Dante konnte sich keine Schrecken für die Gefangenen von Buchenwald ausdenken. Warum hat euer heiliggesprochener Papst Pius nicht gegen die Krematorien der Nazis protestiert? Nicht etwa aus Vorsicht oder Feigheit, sondern aus instinktiver Loyalität gegenüber der Firma: Pius hat geahnt, daß die Menschheit dem Plan des Allmächtigen noch nie so weit entgegengekommen war wie durch die Errichtung der Todeslager. Gott ist Eichmann in Großbuchstaben geschrieben.«
    »Also wirklich, das geht zu weit!« protestierte ich. Schließlich gibt es gewisse Grenzen.
    »Ach wirklich?« Mordecai lief immer schneller hin und her. »Betrachten wir doch mal die Grundregel, nach der in den Lagern verfahren wurde: Ob ein Gefangener geschont oder bestraft wird, hängt nicht von seinem Verhalten ab. In Auschwitz wurde man bestraft, wenn man gegen die Befehle handelte, aber man konnte genauso bestraft werden, wenn man sie befolgte oder wenn man sich völlig passiv verhielt. Offensichtlich hat Gott Seine Lager nach dem gleichen Muster eingerichtet. Um einen Vers aus dem Prediger Salomo zu zitieren, den meine Mutter auf ihr Leben bezog: Gott muß richten den Gerechten und den Gottlosen. Und Weisheit ist nicht mehr wert als Gerechtigkeit, denn der Weise stirbt ebenso wie der Narr.
    Wir wenden den Blick ab, wenn wir vor den Krematorien die verkohlten Knochen von Kindern liegen sehen, aber was ist das für ein Gott, der kleine Kinder - oft sogar eben diese Unglücklichen - zum Fegefeuer verdammt? Und immer nur deshalb, weil sie sich die falschen Eltern ausgesucht haben? Glauben Sie mir, eines Tages wird man Himmler heiligsprechen. Bei Pius hat man’s ja bereits getan. Sie wollen gehen, Sacchetti?«
    »Ich will nicht mit Ihnen streiten, aber Sie lassen mir keine andere Wahl. Was Sie da gesagt haben, ist ...«
    »Gotteslästerung. Für Sie vielleicht, für mich nicht. Aber wenn Sie noch ein wenig hierbleiben, verspreche ich Ihnen, mich zu mäßigen. Und zur Belohnung zeige ich Ihnen, wo sich das Lager Archimedes befindet. Nicht auf dem großen Plan des Allmächtigen werde ich’s Ihnen zeigen, sondern auf einer Landkarte.«
    »Wie haben Sie das herausgefunden?«
    »Mit Hilfe der Sterne, wie ein Navigator. Wissen Sie, man kann ein Planetarium, sogar ein ferngesteuertes, zu sehr prosaischen Dingen verwenden. Wir sind in Colorado. Sehen Sie sich das an!«
    Er nahm einen Folioband vom Regal und legte ihn aufgeschlagen auf den Tisch. Eine zweiseitige Landkarte des Staates Colorado.
    »Wir sind hier. Der Ort Telluride war um die Jahrhundertwende eine große Bergwerkssiedlung. Meiner Meinung nach gelangt man ins Lager Archimedes durch einen stillgelegten Schacht.«
    »Aber wenn das, was Sie im Lagerobservatorium sehen, via Bildschirm übermittelt ist, können Sie doch nicht sicher sein, daß das Teleskop direkt über dem Lager aufgestellt ist. Vielleicht ist es hundert oder tausend Meilen entfernt.«
    »Ganz genau kann man überhaupt nichts wissen, aber warum sollten die sich unsretwegen so viel Mühe machen? Und außerdem ist da noch der Brocken Sedimentgestein, den ich vorgestern aus der Katakombe mitgenommen habe. Er enthält Spuren von Sylvanit, d. h. von goldführendem Tellur. Wir sind also in irgendeinem alten Goldbergwerk.«
    Ich lachte. »Hier unten das Magnum Opus zu vollbringen bedeutet also, Eulen nach Athen zu tragen.«
    Mordecai lachte nicht. (Der Witz war offenbar nicht so umwerfend, wie ich gedacht hatte.)
    »Still!« sagte er. »Ich höre etwas.«
    Nach langem Schweigen flüsterte ich: »Was?« Mordecai, das Gesicht hinter den übergroßen Händen verborgen, gab keine Antwort. Er erinnerte mich jetzt an George Wagner, damals, als er mir, in Wahnvorstellungen versponnen, auf dem langen dunklen Korridor zum erstenmal begegnet war. Mordecai zitterte plötzlich am ganzen Körper. Dann beruhigte er sich und

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