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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch
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(sie hatten ihre Mahlzeit beendet und beschnupperten jetzt die Kuchenplatte), schwieg Mordecai, während er das Gebäck in sich hineinstopfte. Erst nach dem letzten Erdbeertörtchen wurde er redselig, um nicht zu sagen redewütig:
    »Ist es Ihnen hier zu warm? Ich sollte eigentlich die Heizung niedriger stellen, wenn ich Besuch habe, aber dann würde ich sofort frieren. Soll ich Ihnen ein echtes ›Ei der Weisen‹ zeigen? Kein Alchimist kann darauf verzichten. Das wird Sie bestimmt interessieren! Kommen Sie - heute werde ich Sie in die Geheimnisse einweihen.«
    Während ich ihm zum Wandschirm folgte, spürte ich, daß es immer heißer wurde. Rings um den dahinter verborgenen niedrigen Kachelofen herrschte eine Temperatur wie in der Sauna.
    »Sehet und staunet«, deklamierte Mordecai, »der Athanor!«
    Aus einem Wandregal zog er zwei Schutzmasken. »Die braucht man, wenn das Brautgemach geöffnet wird«, erklärte er mit unbewegter Miene. »Sie müssen übrigens Nachsicht mit meinem Athanor haben. Es ist ein elektrischer Ofen, und das ist natürlich nicht ganz comme il faut ...« (das sprach er ›kommilfoht‹ aus) »... aber damit kann man viel leichter ein ›Feuer‹ in Gang halten, das gleichmäßig heizt, Dampf entwickelt, nie ausgeht, immer unter Kontrolle gehalten werden und trotzdem seine zersetzende Wirkung ausüben kann. Wir verfolgen hier zwar die traditionellen Ziele der Alchimie, aber bei der Wahl der Arbeitsmittel habe ich mir einige Freiheiten erlaubt. Setzen Sie die Maske auf, dann werde ich Sie einen Blick in den Mutterleib werfen lassen, wie die Eingeweihten das zu nennen pflegen.«
    Da die Augenschlitze der Maske durch getöntes Glas geschützt waren, konnte ich in dem dunklen Zimmer überhaupt nichts mehr erkennen.
    »Ecce!« sagte Mordecai. Die Deckplatte des Ofens schob sich automatisch zur Seite und gab den Blick ins glühende Innere frei, wo ein dunkelschimmernder, oben und unten abgeplatteter, etwa 60 cm hoher Behälter stand - das ›Ei des Weisen‹ (oder, prosaisch ausgedrückt, eine Retorte.) Er sah nicht besonders interessant aus - fast wie ein ganz gewöhnlicher Kanonenofen.
    Der Deckel surrte wieder zu, und ich zog mir die schweißnasse Maske ab.
    »Ein Holzfeuer hätte tatsächlich unheimlicher gewirkt«, sagte ich.
    »Der Zweck heiligt seit je die Mittel. Und es wird gelingen!«
    »Hm.« Ich ging wieder zu meinem Hocker hinüber, wo ›nur‹ eine Temperatur von etwa 32 Grad herrschte.
    »Ich sage Ihnen, es wird gelingen!« Er kam zu mir herüber.
    »Was kochen Sie eigentlich in Ihrem großen Topf? Verwandeln Sie unedles Metall in Gold? Und wozu, wenn wir mal von den rein poetischen Assoziationen absehen? Heutzutage kennt man viel kostbarere Elemente als Gold. Im Zeitalter nach Keynes käme das doch beinahe einer Donquichotterie gleich!«
    »Genau das habe ich Haast vor ein paar Monaten auch gesagt, damals, als wir das Experiment planten. Aber die Metallverwandlung ist nur ein Schritt auf dem Weg zu unserem eigentlichen Ziel, nämlich zur Destillation eines Elixiers, das uns allen von Nutzen sein wird.« Er lächelte. »Ein Mittel zur Verlängerung des Lebens.«
    »Nennt man das nicht Verjüngungselixier?«
    »Dieser Aspekt fasziniert Haast natürlich besonders.«
    »Und wie wird dieser Trank gebraut? Aber wahrscheinlich ist Ihr Rezept streng geheim, oder?«
    »In Einzelheiten ja, obwohl die Grundlagen bei Geber und Paracelsus zu finden sind. Aber ehrlich, Sacchetti, interessiert Sie das wirklich? Würden Sie Ihr Seelenheil aufs Spiel setzen, um es zu erfahren? Oder würden Sie meines aufs Spiel setzen? Raymundus Lullus hat gesagt: ›lch schwöre bei meiner Seele, daß du verdammt sein wirst, wenn du es verrätst.‹ Ihnen wird bestimmt eine allgemeine Erklärung auch genügen.«
    »Was immer Isis zu enthüllen bereit ist!«
    »Das Ei des Weisen - der große Topf im Athanor - enthält eine in Wasser aufgelöste Latwerge, die seit vierundneunzig Tagen der Hitze tellurischer Feuer - jeweils tagsüber - und dem Licht des Sirius - bei Nacht - ausgesetzt ist. Genaugenommen ist Gold kein Metall, sondern Licht. Bei Experimenten dieser Art hat man dem Sirius immer eine besonders starke Wirkung zugeschrieben, aber früher war es schwierig, sein Licht unverfälscht einzufangen, da es sich leicht mit dem Licht benachbarter Sterne vermischt. Wie verwenden hier ein Radioteleskop, das die Reinheit des Lichtes gewährleistet. Haben Sie die Linse bemerkt, die oben in das Ei eingelassen ist? Sie

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