Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch
Vom Netzwerk:
elegant ist. Ich hatte einen cri de cœur erwartet, eine subjektive Schilderung von Ereignissen, die mir etwas von dem wahren Mordecai Washington zeigen würde. Statt dessen könnte das Porträt als Gegenstück zu Ein Quartier für die Nacht von R. L. Stevenson geschrieben sein (wenn es mit seinen 40 000 Wörtern nicht den Umfang eines Romans hätte).
    Es lohnt sich, davon zu berichten, zumal ich heute von nichts anderem zu schreiben wüßte, als von meiner wachsenden Verwirrung.
    Hier also die ›Fakten‹:
    Porträt beginnt mit einer rührseligen Szene im Rouge-Cloître, wo der irrsinnige van der Goes von den Klosterbrüdern betreut wird. Die Mittel, mit denen sie seinen ›entzündeten Geist‹ kurieren wollen, sind abwechselnd mild und grausam, aber sie helfen alle nichts. Angesichts der Unabwendbarkeit seiner Verdammnis von Furcht und Schrecken gepackt, erleidet van der Goes einen Anfall und stirbt.
    In der Nacht nach der Beisetzung (bei der eine sehr schöne Predigt gehalten wurde) erscheint ein Fremder, gräbt den Sarg aus, öffnet ihn und haucht dem Leichnam Lebensodem ein. Jetzt erst erfährt der Leser, daß Hugo seine Seele verkauft und dafür zwei Dinge eingehandelt hatte: 1. Eine Reise durch ganz Italien, um alle berühmten Gemälde zu sehen (die Werke von Masoccio, Uccelo, della Francesca u. a.), die man damals in Flandern nur vom Hörensagen oder durch Holzschnitte und Stiche kannte. 2. Drei Jahre höchster Meisterschaft als Maler. Er wollte nicht nur die Meister des Nordens und Südens übertreffen, sondern seine Schöpfungen sogar mit denen des Allmächtigen messen.
    Der Hauptteil der Erzählung handelt von van der Goes’ Besuchen in Mailand (eine kurze, eindrucksvolle Szene zeigt seine Begegnung mit dem jungen Leonardo da Vinci), in Siena und Florenz. Es kommt zu langen Diskussionen zwischen Hugo, seinem holländischen Begleiter und zeitgenössischen Künstlern über das Wesen und den Sinn der Kunst. Van der Goes geht von der damals üblichen Auffassung aus, daß die Kunst die Wirklichkeit widerspiegeln solle. Er ist sich nicht klar darüber, wie das am besten zu erreichen sei - ob durch die mikroskopisch genaue Wiedergabetechnik und die warmen Farbtöne der Flämischen Schule oder durch die souveräne Behandlung von Raum und Form bei den italienischen Malern. Doch im gleichen Maß, wie er zu der ihm versprochenen Meisterschaft und zu einer Synthese der beiden Stile gelangt, wandelt sich seine Auffassung, und schließlich will er, angestachelt vom Teufel, die Wirklichkeit nicht mehr widerspiegeln, sondern bezwingen. Kunst wird zur Magie.
    Nur in seinem Meisterwerk (das gegen Ende des dritten Jahres entsteht), dem ›Porträt des Pompanianus‹, gelingt ihm der Vorstoß ins Übernatürliche. Aber noch in dem Augenblick, als der Teufel ihn aus dem Grab in die Hölle holt, wird der Leser im Zweifel darüber gelassen, ob es durch Hugos magische Kräfte oder nur durch die List des Teufels zur Katastrophe gekommen ist.
    In diese Fabel ist eine ziemlich banale Faust-Gretchen-Romanze verwoben. Die Beschreibung der Heldin brachte mich zum Lachen: Sie gleicht, zum mindesten äußerlich, Dr. Aimée Busk. Kein Wunder, daß die Liebesgeschichte nicht überzeugt!
    Fazit: Die Erzählung gefällt mir und würde, glaube ich, jedem gefallen, der gern etwas über Maler und Teufel liest.

    Später
    Mit Ausnahme der einen Stunde, die ich zusammen mit den Gefangenen bei Abendessen im Speisesaal verbrachte (der Chefkoch scheint von einem Luxusdampfer der Cunard-Linie zu kommen!), habe ich den ganzen Tag und die halbe Nacht gearbeitet - an dem ›größeren Werk‹, das mir seit heute vorschwebt. Es ist mein erster Versuch auf dem Gebiet des Dramas, und wenn rascher Fortschritt allein schon auf Qualität schließen ließe, müßte es ein großartiges Werk werden: Der erste Akt liegt bereits zur Hälfte im Entwurf vor! Ich habe fast Angst davor, den Titel zu nennen. Ein Teil meiner selbst scheut noch vor der ganzen Sache zurück (wie Bowdler, als er ein Exemplar von The Naked Lunch in der Hand hielt), der andere Teil ist fasziniert von der unerhörten Kühnheit der Idee. Wahre Tantalusqualen! Aber ich sehe schon, jetzt muß ich entweder schweigen oder Farbe bekennen:

    AUSCHWITZ
    Eine Komödie

    Mordecais ›Entzündung des Geistes‹ muß ansteckend sein. Engel und Heilige, steht mir bei! Ich bin besessen!

    18. Juni
    Kennzeichen unseres unterirdischen Alltags:
    Die Uhren. Die Uhren in den Gängen: Überdimensional, für

Weitere Kostenlose Bücher