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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch
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Konzentrationslager.«
    Er lehnte sich wieder gegen die aufgestapelten Kissen, hustete und lachte gleichzeitig, stieß die halbvolle Thermosflasche vom Tisch auf den Perserteppich, der über die Fliesen gebreitet war. Als er sie aufhob und leer fand, schleuderte er sie mit einem Fluch quer durchs Zimmer gegen einen bemalten Wandschirm, der dabei einen Riß abbekam.
    »Sacchetti, würden Sie bitte auf den Knopf neben der Tür drücken? Ich brauche dieses widerliche Zuckerwasser, das man hier Kaffee nennt. Nett von Ihnen!«
    Kaum hatte ich geklingelt, da erschien auch schon ein Schwarzuniformierter (es war Furzer) mit einem Servierwagen: Kaffee und Gebäck. Mordecai bediente sich. Ein anderer Wärter reichte mir drei Porzellanschälchen mit Karottenstücken.
    Mordecai schob einen Bücher- und Papierhaufen von der Tischkante zurück, um Platz für Geschirr und Gebäck zu machen. Als er in ein großes Schokoladenéclair biß, schwappte die Schlagsahne heraus und fiel auf ein Blatt Papier, das mit maschinengeschriebenen Zahlen bedeckt war.
    »Ich wollte, das Zeug wäre aus Fleisch«, sagte er mit vollem Mund.
    Inzwischen waren die drei Kaninchen auf den Tisch gesprungen und knabberten an den Karotten herum. Selbst bei Kerzenlicht konnte ich deutlich die Schleimspur sehen, die sie auf den Buchseiten und Geheimakten hinterlassen hatten.
    »Greifen Sie zu!« sagte Mordecai und nahm sich ein Stück Käsekuchen.
    »Danke, aber ich hab’ wirklich keinen Hunger.«
    »Ich schon. Aber lassen Sie sich dadurch nicht stören.«
    Um ihm zu zeigen, daß es mich nicht störte, mußte ich mich mit irgend etwas beschäftigen. Während er zwei Tassen Kaffee trank und vier weitere Gebäckstücke vertilgte, sah ich mir beiläufig an, was zuoberst auf seinem Arbeitstisch lag. In der folgenden Aufzählung sind also weder die Gegenstände, die sich außerhalb des Lichtscheins der drei Kerzen befanden, noch die möglicherweise der Ausgrabung harrenden Schätze enthalten.
    Ich sah:
    Mehrere Bücher über Alchimie, darunter Tabula Smaragdina, Benedictus Figulus’ Goldne und segensreiche Schatzkammer der Wunder der Natur, Gebers Werke und Poissons Nicolas Flamel, die meisten in malerisch zerfleddertem Zustand.
    Blätter mit wahllos aneinandergereihten Zahlen.
    Drei oder vier Arbeiten über Elektronik; die umfangreichste DNA-Technik von Kurt Vreden, dem Wunderkind der TH von Kalifornien, war ein maschinengeschriebener Text, dessen Pappumschlag die einladende Aufschrift VERTRAULICH trug.
    Mehrere Farbreproduktionen aus Skira-Bildbänden, vor allem Werke der flämischen Meister, aber auch ein Bildausschnitt aus Raffaels Schule von Athen und ein abgegriffener Druck des Dürerschen Melancholie.
    Einen Totenschädel aus Kunststoff, sehr dekorativ, mit rubinroten Glasaugen.
    Enid Starkies Rimbaud-Biographie und die Pléiade-Ausgabe der Werke Rimbauds.
    Hastings Enzyklopädie Band IV; über die aufgeschlagenen Seiten hatte Mordecai (oder eins der Kaninchen?) ein Tintenfaß gekippt.
    Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus, dessen Ledereinband ebenfalls Tintenflecke aufwies. (Während ich das schreibe, fällt mir ein, wozu Luther Tintenfässer benutzt hat.)
    Getrocknete Schafgarbe.
    Aktenordner in verschiedenen Farben (orange, hellbraun, grau, schwarz), deren Beschriftung ich im düsteren Licht nicht entziffern konnte - bis auf eine: »G. Wagner - Ausgabenkonto«. Eine Seite schien sich gelöst zu haben (vielleicht war auch nur ein Blatt Papier als Buchzeichen verwendet worden): Auf Pergamentpapier eine unbeholfene farbige Tuschzeichnung, kaum besser als die Kritzeleien an Klosettwänden. Ich konnte nur einen Teil der Zeichnung sehen, einen bärtigen Mann mit einer Krone, der ein großes Zepter hielt, auf dem übereinander sechs weitere Kronen angebracht waren. Dieser König stand auf einem eigenartigen Podest: Es sah aus wie eine Blüte am Ende einer nach oben gebogenen Ranke, die sich über dem Kopf des Königs gitterartig verzweigte. An den sechs Gabelungen waren sechs Männerköpfe zu sehen, offenbar weniger wichtige Persönlichkeiten, und neben jedem Kopf stand ein Buchstabe, in alphabetischer Folge von D bis I. Die linke Seite der Zeichnung steckte in Georges Ausgabenkonto.
    Und schließlich, über den ganzen Tisch verstreut, Mordecais stenographische Notizen und dazwischen einige Zeichnungen, die noch unbeholfener wirkten als die eben beschriebene.
    Ende der Aufzählung.
    Abgesehen von ein paar zärtlichen Worten, die er den Kaninchen hinwarf

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