Camp Concentration
Schreibtisch und starrt ins Leere. Was sieht er vor sich? Zweifellos seinen eigenen Tod, an den er vorher nicht glauben wollte.
8.
Das über Haast weiß ich von den Wärtern. Sie zählen mich jetzt zur ersten Garnitur. Sie machen mir vertrauliche Mitteilungen. Emsig fühlt sich bei der Ausübung seiner Pflichten nicht wohl. Er hat den Verdacht, daß hier nicht immer das Rechte geschieht. Wie Hans in meinem Stück ist er ein guter Katholik.
9.
Auschwitz ist veröffentlicht worden. Seit das Stück fertig ist, halte ich es abwechselnd für wertlos, ja übel, und für hervorragend (wie damals im Schaffensrausch!). In einem solchen Moment der Begeisterung sandte ich es mit Haasts Erlaubnis an Youngerman von ›Dial-Tone‹, der den halben Inhalt der druckfertigen Nummer opferte, um mein Stück zu bringen. Schrieb mir einen sehr freundlichen Brief, berichtete von Andrea und anderen. Sie hatten die schlimmsten Befürchtungen, da alle Briefe, die sie mir nach Springfield schrieben, mit dem Stempel UNZUSTELLBAR zurückkamen. Als sie telefonisch anfragten, sagte man ihnen nur: »Mr. Sacchetti ist nicht mehr hier.«
Einige kürzere Sachen wurden ebenfalls gedruckt, allerdings nichts von meinen Fieberphantasien, da die Dechiffrier-Computer des B.S.A. ständig mit BEDEUTUNG UNGEWISS antworten. Haast ist also nicht der einzige.
10.
St. Denis ist der Schutzpatron der Syphilitiker - und der Stadt Paris. Das ist eine Tatsache.
11.
Was ist eine Tatsache? Diese Frage ist ernst gemeint. Wenn 10. eine Tatsache ist, dann deshalb, weil sich alle einig sind, daß St. Denis der Schutzpatron der Syphilitiker ist. Tatsache durch Übereinstimmung. Äpfel fallen zu Boden, was sich jederzeit durch Demonstrationen beweisen läßt. Tatsache durch Beweis. Ich fürchte allerdings, daß Haast dergleichen Tatsachen nicht von mir erwartet. Über etwas zu berichten, worüber sich alle einig sind, wäre zwecklos. Und Tatsachen, die beweisbar sind und gleichzeitig Neuigkeitswert haben, sind so selten, daß die Entdeckung einer einzigen die lebenslange Suche danach lohnt. (Aber nicht in meinem Fall!)
Was bleibt also übrig? Dichtung - die inneren Tatsachen - meine Tatsachen. Genau das habe ich ihm bereits geboten. In gutem Glauben und vollem Ernst.
Was also wollen Sie haben? Lügen? Halbdichtung aus Halbwahrheiten?
12.
Haast schreibt mir: »Klare Antworten auf klare Fragen. H. H.« Also bitte, fragen Sie!
13.
Haast fordert mich auf, mehr über Skilliman zu schreiben. Zweifellos weiß H. H., daß mir jedes andere Thema lieber wäre.
Die Fakten also. Er ist Anfang Fünfzig, von wenig einnehmendem Aussehen und beträchtlicher natürlicher Intelligenz. Er ist Atomphysiker, einer von denen, die Liberale wie ich am liebsten für Deutsche halten möchten. In Wirklichkeit ist dieser Typ international. Vor ungefähr fünf Jahren war Skilliman in ziemlich wichtiger Position für die Atomenergie-Kommission tätig. Dort entwickelte er die Theorie, daß Atomversuche geheimgehalten werden könnten, falls sie in speziell konstruierten Eishöhlen stattfänden. Damals war gerade wieder ein Teststopp vereinbart worden. Die Versuche wurden nach Skillimans Plan durchgeführt - und entdeckt. Von Rußland, China, Frankreich, Israel und (Schmach und Schande!) von Argentinien. Es stellte sich heraus, daß Skillimans Eishöhlen die Detonation nicht dämpften, sondern verstärkten. Dieser Irrtum löste die jüngste und katastrophalste Testserie aus und kostete Skilliman seinen Job.
Er fand sehr rasch einen neuen - in derselben Gesellschaft, in der Haast die F & E-Abteilung leitete. Obwohl die Sicherheitsvorschriften denen des Vatikans nicht nachstanden, begannen damals unter den leitenden Angestellten Gerüchte über das Lager Archimedes zu kursieren. Skilliman bestand auf genaueren Informationen, wurde abschlägig beschieden, bohrte aber so lange weiter, bis man sich bereit erklärte, ihn in diese besondere Art von Greueltaten einzuweihen, vorausgesetzt, daß er im Lager wohnen würde. Bei seiner Ankunft waren Meade und ich die einzigen überlebenden Gefangenen. Sobald er über die Wirkung des Pallidins Bescheid wußte, bestand er darauf, es an sich selbst auszuprobieren.
14.
Eine interessante Tatsache aus der Vergangenheit, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist.
Aurias-Turenne, ein Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts, entwickelte die Theorie, daß Schanker und Syphilis ein und dieselbe Krankheit seien und daß man sich als Schutzmaßnahme der
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