Camping-Daggys letzter Kunde ROTE LATERNE ROMAN Band Nr. 4 (German Edition)
Finger nach oben. Yvonne nickte.
»Sie muss weg«, flüsterte sie kaum hörbar. »Aber es ist mir ein Rätsel, wie wir sie aus dem Haus bekommen ...«
»Ich lasse mir etwas einfallen«, sagte Daggy laut. »Wo sind die Kostüme?«,
»Dort im Schrank, Daggy. Es geht ja alles drunter und drüber, nachdem Luzie weggelaufen und Jeanne krank geworden ist. Mein Gott, diese Weiber bringen mich noch ins Grab!«
»Da könntest du vielleicht recht haben«, murmelte der Mann im Obergeschoss. Er hatte die Worte verstanden. Was sonst noch in der Garderobe passiert war, hatte ihm entgehen müssen, denn dazu war wohl zu leise gesprochen worden. »Aber du benimmst dich gottlob vernünftig, altes Miststück! So, und wenn das Herzchen aus dem Reich der Träume zurückgekehrt ist, werde ich mich daran machen, diese Bretterbude zu durchsuchen.«
*
So geschah es, dass Daggy etwas tat, was sie noch nie vorher getan hatte. Sie stellte sich auf Madames Bühne und tanzte einen Striptease. Natürlich war dieser nicht das Nonplusultra. Doch die Männer, die sie kannten, klatschten begeistert Beifall.
Unterdessen hatte Juliette sich für den nächsten Auftritt fertiggemacht. Für das zierliche Mädchen war diese Nacht sehr anstrengend. Doch niemand klarte sie darüber auf, in welcher Gefahr man sich befand.
Später ging Dagmar nach oben. Kaum klangen ihre Schritte über den Gang, als auch schon die Tür zu Jeannes Zimmer aufgerissen wurde. Louis stand schräg im Türrahmen. Seine hässlichen Augen waren zu schmalen Schützen zusammengekniffen.
»Was willst du hier?«,
»Ich wollte zu Jeanne«, sagte Daggy ruhig.
»Hat Madame nicht ...«
»Yvonne hat mir gesagt, dass Jeanne einen Schwächeanfall erlitten hat. Ich habe hier ein gutes Einreibemittel aus Deutschland. Ich wollte es ihr bringen!«
»Geben Sie her!«
»Bitte«, sagte Daggy, wobei sie ihm das Fläschchen reichte. »Die Brust und die Schläfen. Aber eine Zeitlang massieren, bitte!«
»Ja, schon gut«, grunzte der Mann. Dann schlug er die Tür zu. Vermischt mit seinen Schritten, die sich schwer durch den Raum bewegten, eilte Daggy blitzschnell zu Luzies Tür und schob einen Zettel durch den Spalt. Dann huschte sie zurück. An der Tür des Badezimmers angekommen, hörte sie den Kerl hinter sich von Neuem fauchen.
»Bist du noch immer oben?«
»Ich - ich habe mir nur noch etwas aus dem Badezimmer geholt!« stammelte Daggy. Doch sie brachte dabei ein Lächeln zustande. »Geht es Jeanne schon besser?«,
»Nein, verdammt, sie braucht Ruhe! Hau endlich ab!«
Daggy verschwand nach unten. Sie nickte Yvonne langsam zu. Dann verließ sie das Haus, kuppelte den alten Opel vom Wohnwagen ab und ließ ihn ohne Motor aus der abschüssigen Einfahrt hinaus auf die Straße rollen. Von dort aus ging es der Meerseite zu wieder bergab. Daggy schaffte es noch um die Ecke. Dort blieb der Wagen stehen.
Oben war ein Fenster geöffnet worden. Man erkannte Luzie, doch nicht die Angst in ihrem Gesicht. Fast lautlos legte Daggy die schwere Leiter an, über die Luzie herunterkletterte.
Wenig später fuhr der Wagen davon. Unter dem Lärm im Lokal fiel das nicht weiter auf. Doch alles war gerade noch rechtzeitig geschehen, denn in diesem Augenblick schob Louis sein Bulldoggengesicht durch den Türspalt und lauschte den Gang hinaus. Ihm war, als hätte er irgendwo im Obergeschoss schabende Geräusche vernommen.
Yvonne kam über die Treppe herauf. Ihr stampfender Schritt verriet, dass sie sich zumindest augenblicklich in Sicherheit wähnte. Sie streifte den Mann mit einem lässig-verächtlichen Blick
»Warum sehen Sie sich eigentlich nicht im Haus um?«, fragte sie. »Soweit Sie mir sagten, suchten sie ja nur Luzie. Luzie ist nicht mehr hier. Warum glauben Sie mir denn nicht?«,
Louis Montanelle verließ das Zimmer. Er schloss die Tür von außen ab. Sein Gesichtsausdruck war finster und nachdenklich.
»Wehe dir, wenn du mich aufs Kreuz gelegt hast, du Pufftante! Dann reiße ich dich mitsamt deinem Laden in Fetzen!« Daraufhin knurrte er. Yvonne jedoch schien wieder ganz oben zu sein. Sie ging ihm hoheitsvoll voran, stieß eine Zimmertür nach der anderen auf und sagte jedes Mal nur: »Bitte sehr, Monsieur!«
»In welchem Zimmer hat Luzie gewohnt?«,
»Hier!«
»Ach, sieh mal einer an, du alte Wachtel«, grunzte der Narbengesichti-ge böse.
»Was ist?«,
»Hier liegt noch eine angerauchte Zigarette im Aschenbecher! Hat da der Heilige Geist daran gezogen?«,
»Das versteh ich
Weitere Kostenlose Bücher