Camping-Daggys letzter Kunde ROTE LATERNE ROMAN Band Nr. 4 (German Edition)
vergesse ich mich und mache dir die Hölle heiß!«
Yvonne wies ergeben mit dem Kopf in die Richtung, in der der Ausgang zum Garten lag. Doch für den Mann geschah das anscheinend zu rasch, zu bereitwillig.
»Denkst du, dass ich das Haus verlasse, Mäuschen?«, fragte er anzüglich grinsend. »Nein, du wirst mir und Jeanne ein Zimmer geben! Wenn es Zirkus gibt, dann stirbt das Mädchen. Ich habe nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen. Und merke dir noch, dass du dann auch krepieren wirst - so wie viele, die ich schon von diesem Erdenparadies in die Hölle befördert habe!«
Yvonne schien sich nun von dem Schock erholt zu haben, unter dem sie wohl im ersten Moment gestanden hatte.
»Ich muss mich wieder um meine Gäste kümmern«, sagte sie sehr ruhig. Nun hatte sie keine Mädchen mehr für die Bühne. Es gab ja nur noch Juliette. Doch die Schneeflocke konnte nicht pausenlos auftreten. Eigenartigerweise war dies alles jetzt zweitrangig.
Ruhig verließ sie das Hinterzimmer.
»Was ist, Madame? Wo bleiben die nächsten Auftritte?« Solche und ähnliche Fragen umschwirrten Yvonne. Sie trat allem sehr ruhig entgegen.
»Meine Herren!«, rief sie, wobei sie wieder ganz nach ihrer Art in die Hände klatschte. »Es tut mir sehr leid, Ihnen sagen zu müssen, dass zwei meiner Künstlerinnen erkrankt sind. Mademoiselle Juliette wird den Abend bestreiten, so gut es geht. Ich bitte Sie um Ihr Verständnis und bedanke mich gleichzeitig dafür!«
Sie neigte leicht und etwas hoheitsvoll das blonde Haupt und begab sich dann wieder an ihren Platz hinter der Theke. Keiner ahnte, wie es in ihr aussah und was sie vorhatte.
*
Daggy fiel auf, dass drüben etwas nicht in Ordnung sein konnte. Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr das zuerst. Dann vermisste sie die Musik zu Luzies Auftritt. Ihr Kunde hatte sich sehr viel Zeit gelassen und dafür entsprechend bezahlt. So konnte Daggy mit sich zufrieden sein.
Nachdem Monsieur gegangen war, legte Daggy sich noch eine Weile auf das Bett. Für kurze Zeit schlief sie ein, denn sie war sehr müde. Morgen stand ihr vielleicht ein schwerer Tag bevor. Sie wusste es nicht.
Aber ein Gefühl innerer Unruhe ergriff sie. Diese Unruhe übertrug sich auf Dagobert, der maunzend um die Beine des Mädchens strich. Daggy stand auf, nahm andere Kleider über den Arm und machte sich auf den Weg nach drüben.
Im 'voile d'or' war es eigenartig still. Nein, nicht, dass etwa die Musik nicht gespielt hätte. Es war einfach unbeschreiblich anders. Doch Madame stand wie gewöhnlich hinter der Theke und bediente die Herren mit ihrem gewohnten Charme. Auf der Bühne mühte sich Juliette vergeblich ab, die Männer zu fesseln. Es kam nicht die Stimmung auf, die gewöhnlicherweise im Lokal herrschte.
»Yvonne, was ist denn los?«, fragte Daggy arglos.
»Wieso, Cherie?«,
»Ich meine, hier stimmt doch etwas nicht?«,
»Was soll nicht stimmen, mein Herz?«, fragte Yvonne laut und deutlich. »Jeanne ist erkrankt, und Luzie hat uns sehr plötzlich verlassen. Es ist traurig. Aber ich sagte dir ja, dass man sich auf keinen verlassen kann. Wenn du willst, dann kannst du für Jeanne einspringen. Du weißt, ich kann nicht viel bezahlen. Aber ich ...«
»Non, Cherie, ich habe dir nun hundertmal gesagt, dass ich meinen Körper auf deiner Bühne nicht zur Schau stelle. Verstehst du denn das nicht?«,
»Doch, aber heute bitte ich darum«, sagte Madame. Ihre Stimme klang so anders, dass Daggy keinen Widerspruch wagte. »Komm mit. Ich will sehen, dass ich etwas Passendes für dich zum Anziehen finde!«
Juliette übernahm den Bardienst, während Daggy widerstrebend von Yvonne ins Hinterzimmer gezogen wurde. Dort schrieb sie in Windeseile ein paar Worte auf einen Zettel und reichte ihn Daggy.
»Vielleicht kannst du irgend etwas Einfaches machen?«, fuhr sie ungerührt im Plauderton fort. Sie sprach so laut, dass man annehmen konnte, es würde oben verstanden werden.
Unterdessen wurden Daggys Augen immer größer. Fassungslos starrte sie auf die wenigen Worte, die ihr die veränderte Situation im Lokal erklärten. Schlagartig wurde ihr bewusst, in welcher Gefahr sie alle schwebten. Nicht nur sie, sondern auch Jeanne, die sich rauschgiftbetäubt in der Gewalt eines gewissenlosen Killers befand - in den Händen eines Mannes, der auch nicht davor zurückschrecken würde, nötigenfalls das gesamte Lokal in die Luft zu jagen.
Ein eisiger Schauer durchrieselte Daggy.
»Luzie?«, hauchte sie matt und wies dabei mit dem
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