Camping-Daggys letzter Kunde ROTE LATERNE ROMAN Band Nr. 4 (German Edition)
Sie wusste, dass nicht selten sehr noble Herren hinter mächtigen Callgirl-Ringen steckten.
»Yvonne?«, »Oui, Cherie?«,
»Yvonne, dieser Mann - ich meine den Mann, der heute am frühen Abend bei mir im Wohnwagen gewesen ist. Glaubst du, er könnte etwas mit der Sache von Luzie und Rouche zu tun haben?«, Madame wiegte den Kopf. »Kaum, mein Herz«, gab sie dann entschieden zurück. »Ich sollte es dir eigentlich nicht sagen, wer dieser Mann ist. Er hält sich sehr im Hintergrund, obwohl er im Grunde ...«
»Sprich weiter, du machst mir Angst!« »Hat er dir nichts gesagt?«, »Nein, er wird mich morgen abholen lassen. Aber ich muss dir gestehen, dass ich nach dieser Sache schreckliche Angst habe. Ich meine, weil das alles an einem Tag passiert ist. Und nun stecke ich ja bis über die Ohren in dieser Geschichte drin. Wenn mich einer gesehen hat, dann ...«
»Beruhige dich, Daggy«, unterbrach Yvonne den gehetzten Redeschwall der jungen Dirne. »In dieser Hinsicht hat er bestimmt nichts damit zu tun. Aber ich möchte und darf ihm nicht vorgreifen, denn er wäre imstande, mein Lokal zu vernichten!«
»Um Gottes willen, Yvonne ist dieser Mann vielleicht ein Gangsterboss?«,
Die Wirtin lachte. Dann schüttelte sie heftig den Kopf.
»Nein, seine Macht liegt auf anderer Ebene, mein Schatz. Er gehört zu den reichsten Männern Südfrankreichs. Er verdient sein Geld auf andere Weise als wir es tun müssen.«
Daggy sah die mütterliche Freundin gespannt an. Ihre Erregung und Angst klangen allmählich ab.
»Versprich mir, dass du ihm niemals erzählen wirst, was ich dir jetzt sage!«
»Ich verspreche es dir, Yvonne, mein Ehrenwort darauf!« sagte Daggy fest. »Aber immerhin möchte ich wissen, worauf ich mich da einlasse!«
»Worauf du dich einlässt, kann ich dir nicht sagen, Kindchen«, schränkte Madame etwas nervös ein. »Dieser Mann ist weithin bekannt in der Modebranche. Sein Name ist Claude de Ravelle!«
»Claude de Ravelle?«, fragte Daggy verblüfft. »Das ist doch der ...«
»Genau, mein Herz, sprich es nicht aus. Er kauft bei Dior und Coco Chanel. Er ist mit seinen eigenen Creatio-nen auf dem besten Weg, hochzukommen. Ein wichtiger und bedeutender Mann unseres Landes ...«
»Aber warum denn gerade mich, Yvonne?«, fragte Daggy fassungslos. »Ich bin doch so klein, so unbedeutend wie nur irgend etwas. Ich bin doch in den Augen dieses Mannes ein absolutes Nichts. Ich ...«
»Es wird seine Gründe haben, Cherie. Manchmal ist ein Nichts das Alles. Es kommt nur auf die jeweilige Person an!«
»Ach, Yvonne, wenn ich doch nur nicht solche Angst hätte. Ich komme fast um!«
»Du wirst es überleben«, konterte Madame trocken. »Du hast schon vieles überlebt, gerade in bezug auf Männer. Auch ihn wirst du verkraften, wenn er...«
»Du irrst dich, Yvonne«, entgegnete Daggy nun ganz ruhig. »Er scheint nicht das von mir zu wollen; was die übrigen wollen. Jedenfalls hat er mir das deutlich gesagt!«
Die füllige Frau rang nach Luft
»Er - er will nicht mit dir schlafen? Ich meine ...«
»Erhol dich, Cherie«, unterbrach das Mädchen aus dem Wohnwagen. »Du hast dich nicht verhört. Ich soll nur eine Rolle spielen!«
Yvonne lauschte in sich hinein, schien jedoch kein Echo zu hören. Dann blickte sie das Mädchen entgeistert an.
»Ja, wofür hält er dich dann, ma Cherie?«,
Daggy zuckte die Schultern. »Das wissen die Götter, Yvonne. Eben deshalb beunruhigt mich diese Sache. Mich macht das nervös. Wer weiß, ob du mich lebend wiedersiehst. Mon Dieu, wenn ich daran denke, wird mir richtig schlecht!«
Madame Yvonne raffte sich wieder auf. Ihre wachen Augen blickten das Mädchen aufmerksam an. Dann schob sie ihre Lippen übereinander. Halb verborgener Neid sprach aus dieser Gebärde.
»Vielleicht machst du eine außergewöhnliche Karriere, mein Kind«, sagte die Barbesitzerin dann ernst. Sie stand auf, denn das Lokal hatte sich geleert. In zwei Stunden würde Luzie von Nizza aus nach Bastia starten. Sie fühlte, dass sie vorher keinen Schlaf finden konnte. Dennoch ging sie routinemäßig das Lokal ab und löschte die bunten Lampen. Schließlich brannte nur noch eine trübe Funzel hinter der Theke, die die ganze erbärmliche Schäbigkeit des Bretterschuppens darbot. »Vielleicht wirst du Yvonne und alles andere vergessen. Ich gehöre zu dieser Bude wie der Eiffelturm zu Paris. Ich werde hier sterben, wie der Turm eines Tages in Paris sterben wird ...«
»Aber dein Theater«, sagte Daggy, weil sie
Weitere Kostenlose Bücher