Camus: Das Ideal der Einfachheit. Eine Biographie (German Edition)
ausfällt, als habe Jean die geheimnisvolle und lyrische und Catherine die harte und nüchterne Seite des Vaters übernommen.
Auch Jean behauptet, nicht schwer an seinem Namen zu tragen, obwohl er in der Schule wegen seines in Frankreich in den sechziger Jahren so verachteten Vaters stets schlechte Noten bekommen habe. Der Vater sei streng gewesen, er habe beispielsweise immer mit zwei Flaschen neben den Ellbogen essen müssen, um sich eine vorbildliche Esshaltung anzugewöhnen. «Papa» sei ein großer Schauspieler und ein schlechter Fußballspieler gewesen. Schnell in allen Bewegungen. Ein sehr guter Autofahrer. Wenn er etwas Definitives über seinen Vater äußern sollte, dann würde er einfach sagen: «Papa était un type bien», ein guter Typ, der niemals kleinlich gewesen sei. Und dann sagt er schnell und wie nebenbei: «Ich habe ihn so geliebt». Ein Vermächtnis mag Jean nicht nennen, doch er erinnert sich genau der Lehre, die sein Vater ihm mit auf den Weg gab: Hab keine Angst!
Obwohl Jean mit der Welt vor seiner Tür offensichtlich gebrochen hat, wirkt er nicht zerbrochen. Er lebt zurückgezogen mit den Erinnerungen an seinen Vater, als wäre noch alles da. Manchmal erfüllt ihn ein einziger Ton, den er sich abends auf dem Flügel vorspielt. Das genügt. Sarkozy habe ihn besucht, wegen der Überführung der Gebeine ins Panthéon. Doch er sei sich sicher, sein Vater wäre außer sich vor Zorn, wenn man ihn ins Panthéon bringen würde. Und er gibt mir recht: Es geht um die Einfachheit. Zum Abschied zitiert er, mir zuliebe, noch einmal seinen Vater: «So hat mich jedes Mal, wenn ich den tiefsten Sinn der Welt zu erfühlen glaubte, vor allem ihre Einfachheit erschüttert.»
Weiterführende Literatur
Folgenden Büchern schulde ich besonderen Dank:
Olivier Todd: Albert Camus. Ein Leben, Reinbek 1999
Herbert R. Lottman: Camus. Das Bild eines Schriftstellers in seiner Epoche, Hamburg 1986
Brigitte Sändig: Albert Camus, Reinbek 1995
Morvan Lebesque: Albert Camus, Reinbek 1960
Alain Finkielkraut: Un cœur intelligent, Paris 2009
Michel Onfray: L’Ordre libertaire, la vie philosophique d’Albert Camus, Paris 2012
Alain Vircondelet: Albert Camus, fils d’Alger, Paris 2010
Jeanyves Guérin: Albert Camus, portrait de l’artiste et citoyen, Paris 1993
Ders. (Hg.): Dictionnaire Albert Camus, Paris 2009
Daniel Rondeau: Camus ou les promesses de la vie, Paris 2005
Lou Marin: Ursprung der Revolte, Albert Camus und der Anarchismus, Heidelberg 1998
Roger Grenier: Albert Camus, soleil et ombre, Paris 1987
Jean Grenier: Albert Camus. Souvenirs, Paris 1968
Virgil Tanase: Camus, Paris 2010
Jean-Luc Moreau: Camus l’intouchable, Paris 2010
Heinz Robert Schlette: «Der Sinn der Geschichte von morgen», Albert Camus’ Hoffnung, Freiburg (Knecht Verlag) 1995
Jürg Altwegg: Die Republik des Geistes, Frankreichs Intellektuelle zwischen Revolution und Reaktion, München 1986
Tony Judt: Das vergessene Jahrhundert, Die Rückkehr des politischen Intellektuellen, München 2010
Elisabeth Hawes: Camus. A Romance, New York 2009
Alan Riding: And the show went on. Cultural life in Nazi-occupied Paris, London 2010
Thierry Fabre: Eloge de la pensée de midi, Arles 2007
Frédéric Musso: Albert Camus ou la fatalité, Paris 2006
Catherine Camus (Hg.): Albert Camus. Sein Leben in Bildern und Dokumenten, Zürich 2010
Zeittafel
1913
Am 7 . November Geburt von Albert Camus in Mondovi, Departement Constantine, Algerien, als zweiter Sohn von Lucien Auguste Camus, Kellermeister und Nachfahre französischer Einwanderer (geb. 1885 ), und Catherine Sintès (geb. 1882 ), ursprünglich balearischer Herkunft (Menorca).
1914
Tod des Vaters am 11 . Oktober in einem Lazarett in der Bretagne an den Folgen einer Verwundung in der Marne-Schlacht. Catherine Camus zieht mit ihren Söhnen Lucien (geb. 1910 ) und Albert zur Mutter nach Algier, in die Rue de Lyon im Viertel Belcourt.
1918 – 23
Besuch der Grundschule (École primaire) in Belcourt.
1924
Aufnahme in das Gymnasium von Algier als Stipendiat. Torwart in der Fußballmannschaft «Racing Universitare Algérois».
1930
Erster Tuberkulose-Anfall. Bekanntschaft mit Jean Grenier. Umzug zum Onkel Gustave Acault.
1931
Tod der Großmutter.
1932
Abitur. Vorbereitungsjahr für die Hochschule.
1933 – 36
Studium der Philosophie an der Universität Algier.
1934
Heirat mit Simone Hié (geb. 1914 ). Beitritt zur kommunistischen Partei.
1935
Gründung des Laientheaters Théâtre du
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