Canale Mortale (German Edition)
ein
gutes Abendessen, und irgendwann sei das Gespräch auf seine Arbeit beim Conte
gekommen. Der feine Herr behauptete, er sei Kunsthändler und interessiere sich
für ein bestimmtes Bild im Besitz des Conte. Er habe jedoch gehört, der Conte
wolle es nicht veräußern.
»Ich habe immer wieder gesagt, alle Gemälde
des Conte seien interessant, aber sie wollten nur etwas über ein ganz
bestimmtes Bild wissen, das der Conte angeblich versteckt halte. Ich habe
gesagt: ›Welches Bild meinen Sie?‹ Dann haben sie wieder Wein bestellt.«
Als Nardo begann, die Geschichte wieder von vorne zu erzählen, wurde
Antonia ungeduldig.
»Frag ihn bitte, ob die Sammlung tatsächlich ein wertvolles Bild
versteckt hält, und wenn ja, welches das ist.«
Jana stellte die Frage, aber Nardo schüttelte nur den Kopf und
erzählte wieder seine Geschichte, dass die Männer etwas von ihm wissen wollten
und nach dem Kaffee weiteren Wein geordert hätten. Am Ende des Abends hätten
sie ihn dann untergefasst und gesagt, sie würden ihn jetzt nach Hause
begleiten.
»Und dann, in der Nähe des Hauses, sind sie über mich hergefallen
und haben mich geschlagen. Ich solle endlich reden. Der Kleinere von den beiden
hat mich ins Gesicht geschlagen. Der feine Pinkel hielt sich zurück. Aber als
ich am Boden lag, hat er mich an den Schultern gepackt und hochgerissen und
wieder nach dem wertvollen Bild und seinem Versteck gefragt. Da habe ich ihm
ins Gesicht gespuckt.«
Nardo standen jetzt Tränen in den Augen. »Daraufhin haben sie mich
beide getreten und gerufen ›Wir kommen wieder‹. Dann sind sie davongelaufen und
haben mich einfach liegen gelassen, diese Bastarde.« Anklagend hob er seine
verletzte Hand hoch und wischte sich mit der anderen über die Augen.
Antonia bat Jana, ein Taxiboot zu bestellen. Dann wandte sie sich an
Giovanna. »Bis das Boot hier ist, könnte Anna das Nötigste packen. Ich halte es
für das Beste, wenn wir sie beide mitnehmen.«
Auf der Rückfahrt setzte sich Antonia neben Giovanna. »Ich kann
es Ihnen jetzt noch nicht erklären«, sagte sie leise, »aber ich möchte auf
keinen Fall, dass Flavia weiß, wo Nardo ist. Niemand soll wissen, dass er nicht
mehr auf Burano ist. Glauben Sie, wir könnten seine Schwester und ihn eine Zeit
lang in der Nachbarschaft unterbringen?«
Giovanna kramte ihr Handy hervor und wählte, ohne zu antworten, eine
Nummer. Antonia hörte, wie sie mit Don Orione sprach. Nach einer Weile lächelte
sie Antonia an.
»Sie können bei Don Orione im Gästetrakt wohnen. Im Moment geht
Nardo ja sowieso kaum aus. Und Don Orione hat einen schönen Garten, der von
außen nicht einsehbar ist. Seine Haushälterin wird sich um die beiden kümmern.
Mit Flavia spreche ich sowieso kaum noch. Sie ist in der letzten Zeit nur noch
unfreundlich zu mir. Sie hat den Tod des Conte überhaupt nicht bedauert, das
nehme ich ihr sehr übel. Sie war nicht einmal auf seinem Begräbnis. Sie habe
keine Zeit, war ihre Ausrede. Incredibile!«
15
Florian verließ am nächsten Morgen schon um acht Uhr die
Wohnung. Er wollte den ganzen Tag proben und würde erst am Abend zurückkommen.
Ein warmer Tag kündigte sich an, und Antonia setzte den Ventilator
in Gang, der von der Küchendecke hing. Dann begann sie, ihre Notizen zu ordnen,
konnte jedoch keinen klaren Gedanken fassen, weil auf dem Dachboden nebenan
ununterbrochen gehämmert wurde. Sie ging hinüber und traf auf die beiden
Arbeiter, die offenbar erneut einen Teil des Dachs reparierten. Einer der
beiden war Andrea, Flavias jüngster Bruder, der sie schüchtern anlächelte. Sie
fragte die zwei, ob sie einen Espresso wollten, und Andrea nickte.
Während das Wasser heiß wurde, rief sie Octavia an, um zu fragen,
weshalb die Dacharbeiten wieder aufgenommen worden seien.
»Die Arbeiter haben doch neulich erst das Dach gedeckt und all ihre
Sachen mitgenommen. Warum sind sie jetzt wieder da?«
Octavia erzählte ihr, dass sich Flavia gestern beklagt habe, es
regne auf dem Speicher immer noch herein, und sie darum gebeten hatte, die
Handwerker noch einmal zu bestellen. Antonia legte auf. Es hatte die ganzen
letzten Tage nicht ein einziges Mal geregnet. Sie stellte die Espressokanne,
zwei Tässchen, die Zuckerschale und zwei Gläser Wasser auf ein Tablett und
brachte es den beiden Handwerkern. Andrea nahm es in Empfang und dankte, wobei
er scheu zur Seite blickte. Während die jungen Männer den Espresso tranken,
besah Antonia sich die Stelle, an der sie arbeiteten,
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