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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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alle aus ein und derselben Schöpfkelle zu trinken, ohne sie jedes Mal auszuspülen oder abzuwaschen?
    Ich verstehe, aber was soll ich da machen? Wir waren schließlich nicht im Grandhotel. Damals wurde Geschirr mit Wasser, Seife und Asche abgewaschen. Wenig Seife, denn damals gab es noch kein Tide oder Persil, und die Seife war hausgemacht, man musste Tierfett und Knochen sieden. Und wenig Wasser, weil die Eimer schwer waren, und das ganze Geschirr musste im selben Wasser gespült werden. Was wollen Sie denn? Kommen doch nächstes Mal Sie und legen die Pontinischen Sümpfe trocken!
    Hinter dem Haus dagegen, an der Rückseite – etwa dreißig oder vierzig Meter davon entfernt –, lag der Abort, die Latrine, eine Art gemauertes Schilderhäuschen, ein Rechteck mit wenig mehr als einem Quadratmeter Grundfläche, etwas über zwei Meter hoch, mit zwei Dachschrägen und Falzziegeln auch hier. Als wir ankamen – sie war noch nicht einmal vom Lastwagen gestiegen, sie stand noch auf der Ladefläche, mit einem Fuß oben und mit dem anderen sprungbereit –, brüllte Tante Bissolata allen zu, dass es an ihr war, den Abort einzuweihen: »Erst ich! Ich muss die erste sein«, und flitzte hinters Haus. Als sie zurückkam, strahlte sie und erklärte allen: »Ahh, da bin ich aber zufrieden, hier scheißt es sich richtig gut!«
    Der Abort war hinter dem Haus, frei stehend, und die Amerikaner – die des New Deal, nicht die vom Kriegsende mit dem DDT – sagten, das hieße »privy« und bei ihnen auf dem Land wäre es auch draußen, wie man heute noch in Westernfilmen sehen kann, zum Beispiel in »Erbarmungslos«, wenn sie einen umbringen müssen, dann warten sie eben vor dem privy auf ihn. Sie waren mit Rossoni gekommen – »Schau, Peruzzi, ich habe euch Kameraden aus Amerika mitgebracht« –, während einer Besuchstour. Es waren alte Freunde von ihm aus früheren sozialistischen Zeiten, die mit dem New Deal jetzt auch Faschisten geworden waren. Unter sich sprachen der Duce und Rossoni immer vom »Kameraden Roosevelt«, denn als nach der Weltwirtschaftskrise 1929 endlich er – Roosevelt – an die Macht kam, wurde Amerika von 1932 an auch faschistisch. Früher war es dort ein Tabu – und ist es noch heute –, dass der Staat sich in die Wirtschaft einmischt, die war Sache der kapitalistischen Privatunternehmer. Aber die Krise 1929 war schlimm gewesen – und herauszukommen war schwer –, und so knebelte auch er das Parlament durch Sondergesetzgebung, verstaatlichte einen Haufen Sachen und fing an mit Meliorationsprogrammen wie wir, die UdSSR und Nazideutschland. Es waren die amerikanischen Zeitungen – die »New York Times« von 1933, nicht bloß der Duce und Rossoni –, die sagten: »Das ist Faschismus, wenn nicht sogar Nationalsozialismus.« – »Und ich bin stolz darauf«, erwiderte Roosevelt und machte unbeirrt weiter. Wir und er, das war wie Pech und Schwefel: »Ich, Stalin und Mussolini, wir sind Blutsbrüder«, das sagte er auch öffentlich und schickte tagtäglich seine Ingenieure hierher, ins Agro Pontino, um zu lernen, wie man den New Deal machte. Später aber trübte sich dann das Verhältnis – fast wie mit Alceste De Ambris –, und jeder ging seiner Wege: Wir wurden das absolut Böse und er der gefeierte Held der Demokratie. Da sehen Sie, wie die Welt sich ändert. Wer hätte das gedacht, 1933 in den Wolkenkratzern der »New York Times«? »Einige sind auf Rosen gebettet und andere auf Stein«, wie die alte Freundin von Onkel Pericle sagte.
    Damals jedenfalls sagten diese Amerikaner immer wieder: »Tel privy, tel privy« , und wir verstanden nicht. Da erklärte Rossoni, der, wie Sie wissen, in Amerika so gut wie zu Hause war: » Privy ist das Klo«, und von dem Moment an nannten auch wir es »privy« ; wir nennen es heute noch so, obwohl es das natürlich nicht mehr gibt und alle Bad und Toilette in der Wohnung haben. Einmal hatten wir Besuch – ich weiß nicht mehr, wer da war, vielleicht der Doktor oder der Pfarrer –, und als Tante Bissa plötzlich mal raus musste, ihr Verschwinden aber etwas vornehmer begründen wollte, gebrauchte sie als erste diesen Ausdruck: »Ich geh jetzt ins privy .«
    »Wohin gehst du?«, fragten alle.
    »Ins privy .«
    »Wohin?«, fragten die anderen noch lauter.
    »Scheißen!«, schrie sie da erbost.
    Und von da an war das Klo für alle Peruzzi – erst im Spaß, dann ernsthaft – immer nur privy , und es war hinter dem Haus, getrennt davon, wie das damals in allen ländlichen

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