Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
Vom Netzwerk:
und Krieg ist Krieg: Es ging darum, diese Art thermische Anlage bestmöglich zu nutzen. Drittens war das nur am Anfang so. Als das Geflügel mehr wurde und wir wieder Federvieh in Hülle und Fülle hatten – Truthähne, Gänse, Enten, Erpel, Pfauen und Perlhühner, so dass nicht einmal das Gehege der ONC in Doganella für die Maremma-Kühe dafür ausgereicht hätte –, bauten wir uns selber neue Ställe und taten es dorthin. Ebenso das Schwein, als es – zum Glück – nicht mehr das einzige war. Wir hatten eine Sau, die ganze Ladungen von Ferkeln warf, und jedes Jahr im November gab es bei uns ein Gemetzel wie im Ersten Weltkrieg, wenn meine sämtlichen Onkel mit dem Messer zwischen den Zähnen Schweine abstachen, Cotechino und Salami in die Därme abfüllten und zusammen mit den Speckseiten an Haken unter der Decke aufhängten, um sie abtropfen und trocknen zu lassen.
    Sämtliche Zimmer waren voll damit – irgendwohin musste man sie ja tun, und wir waren ein Haufen Leute, es brauchte einen Haufen Salami und Cotechino, um uns satt zu kriegen; November, Dezember, auch noch Januar, Februar hindurch hingen die Zimmerdecken voll mit dem Zeug, man schlief darunter, und manchmal fiel einem nachts ein Tropfen Fett aufs Gesicht. Und sämtliche Fliegen kreisten darum herum und wichen nach Möglichkeit den Fliegenfängern aus, die alle zwei oder drei Salamis zum Schutz und zur Abschreckung dort aufgehängt waren. Nun glauben Sie aber bloß nicht, dass wir uns unentwegt den Bauch mit Würsten und Speck vollgeschlagen hätten. Wir waren ein Haufen Leute, ich sage es noch einmal, und so viele Hühner und Schweine wir auch schlachteten und verarbeiteten, immer waren wir in der Überzahl, waren immer im Hintertreffen; Großmutter maß alles mit dem Zentimetermaß ab, und wenn sie eine Salami oder einen Cotechino kochte – ein oder zwei Mal in der Woche –, musste einer für alle reichen. Wenn’s hoch kam, gab es eine Scheibe pro Kopf, gerade um sie über der Polenta zu schwenken und ihr ein bisschen Geschmack zu verleihen. Aber trotz der mathematisch strengen Abmessung meiner Großmutter – das Minimum an Proteinen, um uns am Leben zu erhalten –, wenn es April, Mai wurde, hing nichts mehr unter den Zimmerdecken. Nur die Fliegenfänger, von den Fliegen gemieden und verhöhnt, und die Haken eben, triste, leere Eisenhaken, nun verlassen im weißen Meer der Zimmerdecken, ohne eine Salami oder einen Cotechino, woran wir vom Bett aus unseren ewigen Hunger hätten aufhängen können.
    So sah jedenfalls unser Podere aus, und genauso wie das unsere baute die ONC im Agro Pontino dreitausendfünfhundert und siedelte darauf dreißigtausendfünfhundert Enterbte aus Norditalien an wie uns – ein biblisches Heer, genommen und hierher verpflanzt, denen endlich selbst der Boden gehörte, den sie bearbeiteten.
    Man holte uns mit der Mayflower und brachte uns hierher, verfrachtete Familie um Familie samt ihrem ganzen Hausstand auf Lastwagen und Fuhrwerke. Und lud eine nach der anderen auf diesen nagelneuen Siedlerhöfen aus, die noch nach frischer Farbe rochen, und Sie müssen mir glauben, die Äcker waren nicht nur bereits fertig vermessen und mit dem richtigen Gefälle angelegt, etwas erhöht in der Mitte und zu den Seiten hin leicht abfallend, die Abflusskanäle an den Rändern schon ausgehoben und im Niveau angeglichen, sondern die Äcker waren auch schon vollständig gepflügt. Der Boden über einen Meter tief umgehoben von den Fowlers, den Favole, die an den beiden Seiten eines Feldes Aufstellung nahmen, zwischen ihnen an einer Seilwinde einen riesigen Kippflug befestigt, den sie abwechselnd zogen und der den Boden über einen Meter tief aufriss.
    Und diese dreißigtausend erzählen alle, das erste, was sie taten – nachdem sie den Hausrat abgeladen, jeden Winkel ihres Anwesens in Augenschein genommen, den Boden geprüft und ihre Betten und Lager aufgeschlagen hatten –, sei gewesen, von Hof zu Hof zu laufen, um zu sehen, wie all die anderen Pilgrim Fathers sich eingerichtet hatten, mit denen gemeinsam sie den Exodus im Zug mitgemacht hatten und mit denen sie von nun an und für immer Leben und Mühen teilen würden.
    Diese Gehöfte oder poderi waren zu beiden Seiten der Straße angeordnet – eins rechts, eins links –, und durchschnittlich alle zweihundertfünfzig Meter stand ein solches Paar. Im Umkreis von nur fünfhundert Metern waren wir also mindestens sechs Familien, und – ich wiederhole es – keine Familien wie heute,

Weitere Kostenlose Bücher