Canale Mussolini
– mindestens – einen von der Sorte gibt, ging, wer wirklich niemanden hatte und es nicht mehr aushielt, hin und schrieb an den Duce. Rossoni erzählte einmal – gelegentlich kam er auf seinen Inspektionsfahrten vorbei, man hörte den Wagen schon von weitem hupen, dann sprang er heraus, und kaum stand er auf der Brücke, schrie er auch schon: »Peruzzi, hast du noch das Pferd aus Copparo?« –, Rossoni sagte also, es kämen Briefe an den Duce mit der Anschrift Palazo Venessia voller Grammatik- und Rechtschreibfehler, die sich aber bestens verständlich machten: »Hochverehrtester« oder auch »Liebster Duce, hia löffen de Dinge ga nich gut wegen dem und dem«, und er schickte jemanden zur Überprüfung hin. War man im Recht, bekam man es auch, hatte man aber Unrecht, dann packten sie einen mit der ganzen Familie zusammen und schickten einen dorthin zurück, woher man gekommen war – nach Norditalien –, und dort konnte man dann wieder Kohldampf schieben.
Jedenfalls, ob Sie es glauben oder nicht, aber am 18. Dezember 1932 – wenig mehr als einen Monat nach unserer Ankunft hier – war Littoria fix und fertig und wurde eingeweiht.
Meine Onkel hatten wenige Tage nach unserer Ankunft zu Rossoni gesagt – er war nicht nur unsertwegen gekommen, sondern um das Eintreffen der ersten Gruppe Siedler zu sehen, auch wenn er sich dann bei uns ein paar Minuten länger aufhielt –, meine Onkel hatten zu ihm gesagt: »Die können das gar nicht schaffen, sie sind viel zu weit hinten.«
»Macht euch keine Sorgen. Wenn der Duce etwas sagt, dann ist das so.«
Und am 18. Dezember 1932 – es war Sonntag, der vierte Adventssonntag, und schon am Tag zuvor, am Samstag, hatte es den ganzen Tag in Strömen geregnet – war alles fertig. Sämtliche Gebäude sauber verputzt und getüncht. Nur die Kirche von San Marco nicht, San Marco wurde erst später fertig. Aber das Rathaus, der hohe weiße Turm aus Travertin, die Kasernen für Miliz und Carabinieri, die Schule an der Piazza Dante, das futuristische Postamt von Mazzoni, der Sitz der ONC und die Gebäude an der Piazza del Quadrato, das Stadion, der Sitz des Fascio, Dopolavoro, Kino, Bars, Busstation, das Hotel Littoria, die ersten Wohnhäuser, alles fertig, so dass Onkel Adelchi – der am Tag zuvor Gelegenheit gefunden hatte herzukommen, im strömenden Regen auf dem Fahrrad in seine Wachstuchpelerine gehüllt, und sich umzusehen, bevor es dunkel wurde – alles anfassen musste und hinter jeder Mauer nachschauen, um sich zu vergewissern, dass auch alles echt war, denn wie die Dinge lagen, dachte er, das wären bloße Attrappen, dort aufgestellt, um den Duce zu täuschen. Aber nein. Es war alles fertig. »Das ist die Macht des Faschismus«, sagte er bei der Heimkehr zu meinen anderen Onkeln. Nur die Piazza musste noch fertig gemacht werden. »Die nicht, die kriegen sie nicht fertig, da sind sie zu weit hinten.«
Onkel Benassi dagegen – der, der später Tante Santapace heiratete –, er war in dieser Nacht von Samstag auf Sonntag bis zuletzt dabei, weil er einen Pavesi von der Motomeccanica lenkte, einen dieser Traktoren von damals, die anstelle von Gummireifen verstrebte Stahlzylinder hatten mit Klauen obendrauf, stählerne Raupenräder, die das Fahrzeug am Rutschen hinderten, und durch den festen Stand am Boden konnten sie die gesamte Motorkraft einsetzen. Die Pavesi waren wunderbar zum Pflügen, denn sie waren nicht nur stark, sondern auch wendig und schnell und kamen auch in einen halben Meter tiefem Schlamm gut voran. Onkel Benassi arbeitete noch bei der Motomeccanica, einem eigens von der ONC gegründeten Unternehmen in ihrem Besitz, für die Durchführung sämtlicher Erdarbeiten, mit Maschinen, Lager und Depots und eigenem Personal. Als wir noch klein waren, erzählte uns Onkel Benassi immer, Graf Cencelli wäre bis zehn Uhr abends dort bei ihnen geblieben, um die Arbeiten zu beaufsichtigen, hätte dabei aber ständig gesagt: »Wie soll das nur gehen? Was mach ich da bloß?« Alle Einladungen waren verschickt, die Einweihung war mit dem Duce unwiderruflich für den 18. Dezember festgesetzt, den Tag darauf, es war zu spät, sie zu verschieben. Aber wie ich Ihnen sagte, es goss in Strömen. Und machte keine Anstalten aufzuhören. Die Entwässerungskanäle waren alle auf dem Höchststand, einige waren auch schon über die Ufer getreten, und der große Platz von Littoria schien selbst ein Sumpf.
Die Reste der alten Siedlung von Quadrato – der Hof der Caetani in der
Weitere Kostenlose Bücher