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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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zu Fuß – den Heimweg an: »Hast du gehört, was der Duce gesagt hat?«
    »Der, ach, das ist wirklich ein Mann«, was jedoch nicht heißen sollte, dass er nur ein etwas außergewöhnlicher Mann war. Einmal, als ich noch Kind war und mit Onkel Iseo so redete, da rutschte ihm heraus: »Das war ein Mann«; ich wandte ein: »Ja, Onkel, aber ich bin doch auch keine Frau«, da hatte Onkel Iseo erwidert: »Was hat denn das damit zu tun, Macaco? Der war kein Mensch wie du und ich, das war ein ganz besonderer Mensch, wie in Jahrhunderten nur einmal einer geboren wird.«
    Mittlerweile bildeten sich das in ganz Italien mehr oder weniger alle ein – und sicher war das die Schuld des Duce, das will ich gar nicht bestreiten, und des Faschismus, bis zum Überdruss wurde sie wiederholt, diese fixe Idee vom Römischen Reich und von der imperialen Größe, die uns Italienern von Natur aus und von Rechts wegen zustanden, aber auch diese etwas heidnische Vorstellung, dass die Menschen irgendwie nicht alle gleich sind. Oder besser, sie waren ganz normale Männer und Frauen, die an sich schon nicht alle wirklich gleich waren, es gab intelligente und weniger intelligente, und es war nur gerecht, dass die Intelligenteren das Sagen hatten. Aber doch stets normale Menschen und mehr oder weniger gleich. Nur alle paar Jahrhunderte – wenn nicht überhaupt nur Jahrtausende – erschien auf dem Antlitz der Erde ein MANN , der das Äußere eines Menschen, aber in sich den Geist eines ganzen Volkes oder einer Epoche trug. Das war ein Gott-Mensch, ein Demiurg, eine kosmische Macht, die sich in einem Menschen verkörperte, ganz anders als ein normaler Mensch. Eine Art Messias wie bei den Juden, und im Übrigen, hatte nicht Papst Pius XI . selbst zu ihm gesagt: »Mann der Vorsehung«? Und was sollte das denn heißen, Ihrer Ansicht nach? Genau das: dass dieses große Glück, das einem Volk, wenn’s hoch kommt, alle paar Jahrtausende einmal widerfährt, dass es diesmal uns widerfuhr – wir hatten den MANN – und dass die anderen auf der Hut sein sollten. Und wenn der Papst das glaubte, dann werden Sie doch wohl gestatten, dass wir das auch glaubten! Ab und zu, wenn jemand zu Besuch kam, sagte Großmutter: »Und wenn man bedenkt, dass dieser Mann mir einmal die Zinken der Egge zurechtgebogen hat!« »Ja«, gab jedoch Großvater dann abends im Bett zurück, indem er etwas mehr zu ihr hinüberrückte, »aber er hat dir auch auf den Hintern geschaut, du dreckige Hure, und du hast ordentlich vor ihm herumgewackelt damit.« Das Schlimme ist, dass – leider – irgendwann auch er selbst daran glaubte. Er, der Duce natürlich, nicht mein Großvater.
    Es war jedenfalls ein großer Festtag und ein überaus glücklicher Tag, nicht nur für die Stadt Littoria, die neu entstand, und für den Agro Pontino insgesamt, sondern auch für unsere Familie, die Peruzzi, die – wenn nicht gerade einen Mann wie den da, eine Art Gott – so doch immerhin einen ganz gewöhnlichen Mann fand, den sie dringend benötigte.
    Tatsächlich war Onkel Pericle, als die Einweihungsfeierlichkeiten zu Ende waren und die Menge sich verlief, an einem Verkaufsstand etwas abseits von der Piazza stehengeblieben – an der Straße, die nach Borgo Piave führt –, gegenüber von der Milizkaserne, dort, wo heute das Katasteramt ist. Solche Stände, größere und kleinere, gab es an der ganzen Straße, und die Händler kamen von überall her. Im ganzen Latium wusste man, dass heute Littoria eingeweiht wurde, und da hatten sie sich gedacht: »Wer weiß, wie viele Leute da sind. Da will ich auch hin und schauen, ob ich diese Polentafresser, Cispadanier und Kolonisten nicht übers Ohr hauen und ihnen was andrehen kann.«
    An diesem Stand wurden Unterhosen verkauft. Und dort lernte Onkel Pericle den Lanzidei kennen. Von Berufs wegen war Lanzidei kein Unterhosenverkäufer, der Stand war nicht seiner, er gehörte einem Freund von ihm aus Rom – er kam aus Nettuno, einem Ort in der Nähe, am Meer –, der zu ihm gesagt hatte: »Komm mit und hilf mir ein bisschen«, und er war mitgekommen. Von Beruf machte er, was gerade anfiel: Hilfsarbeiter, Maurer, Gepäckträger, also nichts, ein noch ärmerer Schlucker als wir. Aber er war sympathisch, schlagfertig und ein anständiger Kerl. So auf Anhieb dachten meine Onkel sich nichts dabei – auch Onkel Adelchi blieb stehen und sah sich Unterhosen an –, und ich weiß nicht, ob sie dann welche gekauft haben oder nur so ein bisschen geplaudert haben, in

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