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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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einziger Sprechchor – »Der Sezzeser, der Sezzeser!« –, der immer lauter und frecher aus allen Winkeln des Schiffes schallte. Es hätte nur noch gefehlt, dass auch die Macacos am Ufer mitbrüllten. (Was sagen Sie? Dass es am Roten Meer keine Macacos gibt? Aber jetzt unterbrechen Sie mich doch nicht dauernd wegen solcher Lappalien. Die Peruzzi haben sie dort gesehen.) Da konnte Onkel Adelchi nicht an sich halten – nichts versetzte ihn mehr in Begeisterung und Euphorie, als wenn er sich im Zentrum der Aufmerksamkeit oder des allgemeinen Wohlwollens fühlte –, und noch lauter und kreischender schrie er: »Wir die Bleichgesichter und die Sezzeser die Apachen«, und wieder tosendes Gelächter, dass das Schiff fast gekentert wäre. »Sezzeser hier, Sezzeser da«, grinsten von nun an alle.
    Er bekam zehn Tage Arrest, die abzuleisten waren, sobald sie in Massaua ankamen, auch wenn der Kommandant der Kompanie – der arme Barany, ein halber Mailänder Cispadanier ungarischer Abstammung, der im Agro Pontino für die ONC als Agraringenieur gearbeitet hatte – sie ihm schließlich erließ. Der Sezzeser dagegen war erledigt. Von da an und den ganzen Abessinien-Feldzug hindurch war er für alle ausnahmslos der »Unteroffizier Apache«, und vor allem wenn die Askari ihn Apache nannten, sah er rot. Onkel Adelchi erzählte, in den gefährlichsten Situationen – wenn wirklich Kopf und Kragen zu riskieren waren – hätte er nie auch nur einen Augenblick gezögert und immer ihn vorgeschickt: »Vorwärts!«
    »Immer ich?«, fragte Onkel Adelchi.
    »Immer du, Cispadà.« Er wollte ihn tot sehen. Oder so sagte jedenfalls Onkel Adelchi.
    Als dann der andere Krieg aus war – der Zweite Weltkrieg – und auch der Faschismus fiel, wurden die Sezzesen und alle Bewohner der Lepiner Berge rot, Sozialisten und Kommunisten, nicht nur, weil das im übrigen Italien auch so war, sondern vor allem, weil sie sagten, die wahren Faschisten, das wären wir gewesen, Günstlinge des Faschismus. Nur sie waren vorher Sozialisten gewesen und daher geschädigt. Wir nicht. Und sie besetzten das Land. Sie wollten die Höfe zurück. Und uns wollten sie vertreiben, wie die Araber die Israelis noch heute. Die Democrazia Cristiana legte die Sache dann bei, aber auch der Faschismus hatte schon sein Teil getan, indem er ihnen am Schluss ein paar Höfe in der Umgebung von Pontinia überließ. Und unser Beispiel vor Augen, lernten sie auch, Tag und Nacht auf ihren Höfen zu bleiben, ohne täglich vier oder fünf Stunden Fußwegs zurückzulegen, runter und wieder rauf in ihre Bergdörfer. Und die wenigen, denen unser Vorbild nicht genügte, die knöpften sich die Verwalter der ONC vor, gewisse Bestien, wie es sie nicht mal in den Kolchosen der Sowjetunion gab.
    Wer nicht spurte, dem konnte das hier schon wie Sibirien vorkommen. Auch bei uns – die wir doch, wie gesagt, einige kleine Verdienste um den Faschismus hatten –, auch bei uns kam der Verwalter und setzte uns unter Druck: »Baut das an und nicht jenes, der Abfluss ist nicht richtig sauber, und ich schreibe einen Bericht, wehe, ihr geht tageweise woanders arbeiten, ihr müsst alle hier bleiben, auf dem Hof.« So sehr, dass Onkel Pericle – der doch in der faschistischen Bauerngewerkschaft war, einer der führenden Gewerkschaftsfunktionäre – einmal einen von diesen Verwaltern zur Seite nehmen musste. Das tat er aber nicht draußen auf den Feldern, vor aller Augen. Mein Onkel war kein Unmensch und wusste, dass jeder ein Recht auf seine Würde hat. Wie zufällig kreuzte er in Littoria vor dem Sitz der ONC auf – in städtischer Kleidung – und sagte freundlich zu ihm: »Kommt, Herr Verwalter, gehen wir was trinken.« Und dann unterwegs, als sie allein waren, ganz ruhig: »Schaut, ich bin doch ein noch überzeugterer Faschist als Ihr.«
    »Ich weiß, Peruzzi, ich weiß, aber die Unterschiede …«
    »Das hier ist keine Frage von Unterschieden. Die Peruzzi wollen keine Unterschiede. Jeder soll seine Arbeit machen, und Ihr die Eure. Aber Schikane, nein, das nicht. Ich bin Faschist und habe was übrig für Disziplin, aber Schikane …«, und er ließ die Sache offen, aber seine Stimme war hart geworden.
    »Und ich würde jemanden schikanieren?«
    »Aber nein, aber nein, das fehlte noch. Ich meinte das nur so ganz im Allgemeinen.« Aber das genügte. Bei dem wenigstens.
    Wie bitte, was sagen Sie? Was die Familien machten, die keinen Onkel Pericle hatten?
    Abgesehen davon, dass es in jeder Familie immer

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