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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Welt unserer Ansicht nach doch kuschen – jetzt, da wir vereint waren: »Wir sind viele, wir sind stark und wir sind arm: Platz da, hier kommen wir.« Francesco Crispi – die Linke – war es, die mit dem kolonialen Abenteuer anfing und die Niederlage von Adua durch Menelik II. einstecken musste. Nach einem solchen Schlag hätte man sich doch noch einmal besinnen sollen: »Vielleicht ist das nicht mein Metier, vielleicht ist es besser, ich bleib zu Hause.« Aber nix da. Genau wie die Einwohner von Latina meinen, man beschimpft sie, sobald man nur »Eukalyptus« sagt, so fühlten die Italiener sich, sobald sie »Adua« hörten, verpflichtet, diese Schmach umgehend zu rächen. Bis jetzt hatten sie sich zurückgehalten, ganz einfach weil die Kräfte fehlten. Nun aber, wo die Züge endlich pünktlich fuhren, der Faschismus alles geregelt hatte und wir eine Weltmacht waren – aber vor allem diesen MANN hatten, den die Vorsehung uns geschickt hatte und um den die ganze Welt uns beneidete, so sagten wir wenigstens unter uns –, nun war endlich der Zeitpunkt gekommen, den Schwur der Väter einzulösen und diese alte Rechnung von Adua zu begleichen. Und so sind auch wir Peruzzi losgezogen. Sollten wir etwa fehlen?
    Nicht dass wir nichts anders zu tun gehabt hätten im Agro Pontino – es gab genug zu schuften –, aber so spielte halt die Musik, und nach dieser Musik tanzten damals alle: »Die anderen haben alle ihre Kolonialreiche: Frankreich, Deutschland, England. Nur wir sollen leer ausgehen? Ja, sind wir denn dümmer als die?«
    Nun ist mir völlig klar, dass die Welt nicht nur aus Frankreich, Deutschland und England besteht, ja, dass der Rest der Welt nicht nur kein Kolonialreich besaß, sondern dass jene sich das ihre auf Kosten des Rests der Welt zugelegt hatten; jedenfalls ist es Unrecht, anderen ihr Zeug wegzunehmen. »Aber wenn die es tun«, entgegneten meine Onkel, »warum soll ich es dann nicht tun?« Finden Sie darauf mal eine Antwort!
    Wir Italiener brauchten Boden. Boden und Rohstoffe. Wir hatten nur Hände zum Arbeiten. Wir waren ein bevölkerungsreiches Land. Und nicht ein Gramm Eisen oder Kohle. Ganz zu schweigen von Gold oder Erdöl. Und nicht einmal genug Boden für alle. Unsere Leute mussten anderswohin auswandern. Schließlich – und damit sollten sich alle weiteren Diskussionen erledigen – war da die Sache mit dem Imperium.
    Wie bitte, was sagen Sie? Was das Imperium war?
    Nun, so richtig habe ich das auch nicht begriffen, aber ich versuche es Ihnen zu erklären, wie meine Onkel es erklärten, denen wiederum Rossoni es erklärt hatte. Das Imperium ist nicht die nackte Tatsache, dass es da Zeug gibt und man es sich holt. Das wäre bloß Diebstahl. Das Imperium ist das sakrosankte Recht, sich dieses Zeug zu holen, und dieses Recht ergibt sich nur aus der Übereinstimmung der eigenen Handlungen mit den umfassenderen im Kosmos waltenden Kräfte. Oder so sagte jedenfalls Rossoni: Wenn man an einem Ort lebt, wo es alle Schätze in Hülle und Fülle gibt, Gold, Öl, Eisen, Kohle, reichlich fruchtbaren Ackerboden, man aber nicht imstande ist, ihn zu bestellen und diese Rohstoffe zu nutzen, dann ist das, als ob das Potential des Kosmos vergeudet würde. Also wird es doch im Sinn des Kosmos sein, jemand anderen zu schicken, der einem zeigt, wie man das macht, und sich so gemeinsam auf eine Zukunft des menschlichen Fortschritts zuzubewegen? Das ist das Imperium , das Recht, gemäß dem umfassenderen, kosmischen und überirdischen Wollen zu herrschen.
    »Und wie erkennt man denn, wer dieses Imperium hat und wer nicht?«, fragten meine Onkel.
    »Das ist ganz einfach«, antwortete Rossoni. »Man braucht nur in die Geschichtsbücher zu schauen.« Ihm zufolge war das Imperium keine schäbige Taube, die herumflog und sich dann dem Erstbesten auf den Kopf setzte. Und es ließ sich nicht irgendwo nieder. Es war eine kosmische Macht, und in den Geschichtsbüchern steht geschrieben, das erste und einzige Mal, dass das Imperium – der imperiale Adler – von seinem himmlischen Thron herabstieg, um sich schließlich auf der Erde niederzulassen und eine Epoche der Gerechtigkeit und des universalen Fortschritts einzuleiten, das sei im antiken Rom gewesen. Nur in Rom. Halten Sie das für einen Zufall? Nein. Wenn er sich in Rom niedergelassen hat, muss es dafür einen kosmischen und überirdischen Grund geben, denn warum ausgerecht hier und nicht anderswo? Der vorherbestimmte und unverrückbare Sitz des Imperiums ist

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