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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Rom.
    Wie bitte, was sagen Sie? Wie sich dann das englische und das französische Kolonialreich erklären?
    Aber was hat denn das miteinander zu tun? Das sind usurpierte Reiche. Welches Recht hatten sie, sich zu nehmen, was ihnen gar nicht zustand? Sie hatten schließlich nicht das Imperium , sie waren doch nicht vom Kosmos auserwählt und vorherbestimmt. Sie waren Usurpatoren; auserwählt waren wir, die Nachfahren der römischen Legionäre – derselbe Stamm, dasselbe Blut –, die geführt vom imperialen Adler, der auf ihren Bannern prangte, Frieden und Zivilisation in die ganze Welt getragen hatten. Und an uns – die wir nun endlich den MANN hatten – war es, diese Banner neu aufzurichten und allen im heiligen Namen Roms eine neue Ordnung des Friedens und der Gerechtigkeit zu bringen. Und alle sangen die »Hymne auf Rom«:
    Sonne, die du aufgehst frei und freudig,
    auf unserem Hügel halt an dein Pferdegespann:
    du wirst auf Erden nichts Größeres sehen
    als Rom, nichts Größeres als Rom.
    Wie bitte, was sagen Sie? Dass Sie diese Argumentation nicht wirklich überzeugend finden?
    Keine Frage, ich ja auch nicht, wenn es darum geht. Aber Sie gestatten doch: Die Idee, um jeden Preis – mit Panzern oder Raumschiffen – die Demokratie in den Irak, nach Afghanistan oder auf die Planeten des Orion zu bringen, kommt mir auch nicht viel sinnvoller vor. Das hört sich in der Tat wie lauter Schwachsinn an. Aber wir glaubten daran, und das ist es, was zählt – das ist das Schlimme –, und noch viel schlimmer ist, dass er selbst als erster daran glaubte, der Duce, meine ich: »Ich bin ein MANN , und wir haben das Imperium; stärker als wir ist keiner auf dieser Welt.« Stellen Sie sich vor, als Balbo nach der Atlantiküberquerung zurückkam und ganz begeistert war von Amerika – wo man ihn mit allen Ehren empfangen und ihm alles gezeigt hatte, und da hatte er sich in das Land vernarrt –, sagte der Duce zu ihm, er solle nur abwarten, früher oder später würde man es auch mit denen aufnehmen. Balbo wurde bleich: »Aber Benito« – er war der Einzige, der ihn noch mit Vornamen anredete und duzte – »aber hast du eine Vorstellung von der wirtschaftlichen Macht, die die haben? In einer Minute stellen die dir eine Luftflotte hin, zehn Mal so groß wie unsere. Die überrennen uns, wir sind Zwerge im Vergleich zu ihnen.«
    »Halt die Klappe, Italo! Was willst du denn, was soll die Macht ihres Goldes schon sein im Vergleich zur Macht unseres Blutes?«
    »Na dann«, machte Balbo da, aber beim Hinausgehen sagte er ganz leise zu Rossoni: »Ja, dreht der jetzt langsam durch? Lasst ihn beobachten, Jungs.«
    »Er ist eben ein MANN , Italo!«, antwortete ihm Rossoni.
    Jedenfalls sagte auch der Kardinal von Mailand – sprich die katholische Kirche –, dass es nur recht und eine heilige Pflicht sei, das Imperium in Abessinien zu erobern: »Das sind Häretiker, und im Namen des katholischen Rom gehen wir hin und bringen ihnen die Erlösung.« Und so zogen wir los, mit seinem Segen und mit dem sämtlicher Bischöfe. Und mit uns auch sämtliche Kaplane, die nahmen nicht nur an den Kriegshandlungen teil, sondern taten sich durch Mut und Tapferkeit hervor – »aus Liebe zum Vaterland« – und errangen auch mehrere Tapferkeitsmedaillen in Gold, um »die Ketten der Sklaverei zu sprengen und den Weg für die katholischen Missionare zu bereiten«, wie sie sagten, »die Millionen Seelen befreien und heim in die Herde Jesu Christi und in die Arme der katholischen Kirche führen werden«.
    Inwieweit Jesus Christus mit all dem einverstanden war, weiß ich nicht. Aber das waren die Zeiten, und das waren die Dinge, an die wir glaubten, und jedenfalls stimmt es, dass sie Häretiker waren. Sie waren keine Moslems wie die Somalier oder die Libyer. Die Äthiopier waren Christen, aber Kopten, Monophysiten, das heißt, sie erkannten nur die göttliche Natur Christi an, nicht seine menschliche. Und seit Jahrhunderten hatten sie ihre eigene Kultur, mit eigener Schrift, Literatur und Kunstwerken. Sie hatten Priester, Kirchen, Bischöfe, Priesterseminare und Seminaristen. Sie feierten das Messopfer und gingen zur Kommunion. Und bevor sie Christen wurden, hatten sie der jüdischen Religion angehört, weil der Negus, Menelik I., Sohn von König Salomon und der Königin von Saba, sprich von Äthiopien, gewesen war, und ihre Nachkommen – die Falascha – sind bis gestern jüdischen Glaubens geblieben und dann nach Israel ausgewandert. Sagen Sie doch

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