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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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selbst, ob das ein Volk ohne Geschichte und ob das Niemandsland war. Aber wir hatten eben dieses Imperium, das wieder über den Schicksalshügeln von Rom kreiste, und wir konnten doch nicht sagen: »He du, weg da, flieg woandershin.« Wir sind ihm hinterher, und da musste auch einer von den Peruzzi mitziehen, zur Eroberung des Reichs. Hätten wir Ihrer Meinung nach zu Hause bleiben können?
    Vor allem aber waren wir einverstanden, damit das klar ist, wir waren hundertprozentige Faschisten – auch das ist klar, scheint mir –, und wenn nicht wir nach Afrika gingen, können Sie mir vielleicht erklären, wer dann gehen sollte? Als die Fiat-Werke in einer Werbeaktion dem Fascio von Littoria zwei Traktoren schenkten, um sie an verdiente Siedler im Agro Pontino weiterzugeben, raten Sie mal, wer da einen davon bekam? Genau: Onkel Pericle. Der ging allerdings gleich hin und verkaufte ihn: »Was soll ich denn mit einem Traktor?« Dafür kaufte er sich zwei oder drei gute Milchkühe – die ersten schwarzweißen holländischen – und machte andere Investitionen. Onkel Benassi kriegte sich gar nicht wieder ein: »Bist du verrückt, Pericle? Behalt diesen Traktor, du hast ja keine Ahnung, was du damit alles machen kannst, wie der sich auszahlt.«
    »Ich versteh doch nichts von Maschinen.«
    »Aber ich«, entgegnete Onkel Benassi. »Ich bring’s dir bei.«
    »Ach nein, nein, besser Vieh. Traktoren geben schließlich keine Milch.«
    Reine Viehhalter, die Peruzzi. Die Benassi Mechaniker.
    Aber noch einmal zurück zu Afrika, wenn Sie erlauben, uns hatte man einen Hof gegeben, besser gesagt, zwei. Sogar drei und eigentlich vier oder fünf, wenn man die Dolfin mitrechnet, die Lanzidei und die Verwandten meiner Großmutter. Und da sollte man sich nicht dankbar zeigen, indem man nach Afrika ging? Ich bitte Sie, einer von den Peruzzi musste in den Krieg ziehen, und als Barany zu uns kam, rannte er offene Türen ein.
    Dieser Barany war ein Techniker der Opera, ein erstklassiger Diplomlandwirt. Er war geboren in Paullo zwischen Lodi und Mailand, war aber ungarischer Abstammung. Tatsächlich hieß er Hindart Barany mit Nachnamen, Camillo Hindart Barany. Sein Großvater war seinerzeit aus Ungarn nach Italien gekommen, um mit Garibaldi zu kämpfen. Er hatte am Zug der Tausend nach Sizilien teilgenommen. Dann war er geblieben, und Camillo – der Enkel – wurde ebenfalls Garibaldiner in Mexiko und in den Argonnen, unter dem Befehl von ich weiß nicht welchem Enkel Garibaldis, irgendeinem Sohn von Menotti oder Ricciotti. Ich glaube, in Mexiko hat er auch mit Pancho Villa oder mit Zapata gekämpft. Im Großen Krieg 1915–1918 wurde er gefangen genommen, floh aus dem österreichischen Konzentrationslager, kehrte zurück in den Kampf, nach dem Krieg ging er über zum Guerillakampf gegen die Libyer, dann Legionär in Fiume, Squadrist, Marsch auf Rom. Ein echter Patriot, und zwischen einem Krieg und dem nächsten war er Agronom. Er hatte an der Urbarmachung von Maccarese mitgewirkt, dann an der von Mussolinia auf Sardinien – dem heutigen Arborea – und schließlich im Agro Pontino. Kurzum, entweder war er im Krieg, oder er legte Sümpfe trocken. Tertium non datur . Und dabei war er mosaischen Glaubens. Er war Jude. Ungarischer Jude. Wenn meine Onkel ihn so sahen – wer weiß, was sie sich vorstellten, wie ein Jude aussehen musste –, sagten sie unter sich immer: »Hast du Barany gesehen? Der wirkt gar nicht wie ein Jude.«
    Zwischen einem Spatenstich und dem nächsten, zwischen der Vermessung eines Grundstücks und der Anlage einer neuen Pflanzenzucht hatte Barany mit den Siedlern im Agro Pontino auch einige Freizeitaktivitäten ins Leben gerufen – eine Laienspieltruppe, die fast immer Komödien von Goldoni spielte, einen Chor für alpenländische Volkslieder –, vor allem aber die neu gegründete lokale Milizeinheit der Schwarzhemden, die Kompanie »Littoria«. Auch meine Onkel gehörten ihr an, und jeden Samstagnachmittag – dem faschistischen Samstag – machten sie Märsche und Wehrübungen, im Borgo und auch in Littoria. Er sagte immer zu ihnen: »Je tüchtiger ihr hier seid, desto tüchtiger werdet ihr im Feld sein. Vorwärts, Kameraden, eia eia alalà !«
    »Alalalà!« , antworteten ihm meine Onkel, sei es, weil sie hundertprozentige Faschisten waren wie er, sei es, weil sie ihn mochten – er wusste sich beliebt zu machen –, aber auch, ich sage nicht hauptsächlich, aber auch nicht zuletzt, weil er der Agrarkommissar der

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