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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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hier und geht in Frieden«, und hatte ihm ein Blatt Papier und einen Stift unter die Nase gehalten. »Ab morgen wird Kamerad Tassinari Euer Amt übernehmen.«
    Nun weiß ich nicht, ob er ihn davongejagt hat, weil er zu wichtig wurde – »Wenn das so weitergeht, meinen die Leute noch, er wäre es, der den Bauern das Land gegeben hat und nicht ich« –, oder weil er nun mal so war und fertig, und er war eben nicht gut. Oder vielleicht – wer weiß? –, weil ihn Tresigallo wurmte.
    Sie werden sich erinnern, dass Rossonis Dorf nur eine Weggabelung war, ein winziger Ortsteil – drei Häuser und eine kleine Kirche – der Gemeinde Formignano. Nun, nachdem er Minister geworden war, hatte Rossoni dort auch eine neue Stadt bauen lassen – fünftausend Einwohner – und hatte sie zur Gemeinde erhoben; wenn Sie dort in der Gegend sind, sollten Sie hinfahren. Auch Mussolini hatte sich, wie Sie wissen, an der Weggabelung von Dovia, wo er geboren war, Predappio Nuova bauen lassen, aber das ist ja gar kein Vergleich zu Tresigallo, und vielleicht hatte es den Duce gewurmt, als er dort vorbeikam: »Verdammter Hundesohn!«, denn Tresigallo ist ein architektonisches Schmuckstück. Aus allen Teilen der Welt kommen die Leute, um es zu studieren. Für Rossoni sollte es das Anti-Ferrara sein – »Jetzt zeig ich’s ihm aber, diesem Balbo« –, und er hatte alles alleine gemacht: Enteignungen, Geschäftsabschlüsse, Unternehmen. Ein halbkreisförmiger Platz mit Bogengängen rundherum – »Du musst es sehen«, sagte er zu meinem Großvater, wenn er ihn besuchen kam – und Fabriken aller Art längs der Umgehungsstraße: Traktoren, Mähmaschinen, Verarbeitung von Landwirtschaftsprodukten; die »korporative Stadt« nannte er sie. In der Mitte des Friedhofs schließlich hatte er sich ein riesiges Mausoleum bauen lassen mit dem Namen Rossoni drauf: »Du kannst auch dorthin kommen, wenn du stirbst«, sagte er zu meinem Großvater.
    »Ach, bleib du allein dort«, antwortete der, »ich bleib lieber am Canale Mussolini.«
    Tatsache ist jedenfalls, als der Duce befahl »Unterschreibt hier und geht in Frieden«, versuchte Rossoni Einwände zu erheben: »Aber Benito …«
    »Wie bitte, Benito? Bin ich vielleicht dein Bruder?«
    »Entschuldigt, Duce, aber eigentlich …«
    »Nix da eigentlich! Schaut hier«, und er zog unter dem Tisch einen riesigen Packen von Jahre alten Berichten hervor. »Ihr habt Euch in Tresigallo bereichert wie ein Dieb, Ihr habt Eure Landsleute beraubt, und auch im Agro Pontino habt Ihr Euch groß aufgespielt …«
    »Aber nein, was sagt Ihr denn da? Das ist doch alles Verleumdung.«
    »Verleumdung?«, brüllte der Duce und warf ihm die Papiere ins Gesicht. »Schaut hier! Die Gewerkschaftskasse. Auch die Arbeiter habt Ihr um ihr Geld betrogen.«
    »Noch immer diese alte Geschichte. Aber daran ist doch nichts wahr, Duce«, flehte Rossoni.
    »Und Eure Frau? Seht hier Eure Frau!«
    »Meine Frau«, sagte Rossoni, erbleichte und wäre fast in Ohnmacht gefallen, als der andere einen Bericht von der Ovra hervorholte, der besagte, dass die Frau – Rossoni hatte eine junge Frau – etwas mit seinem Cousin hatte.
    »Eines Abends, während Ihr in Tresigallo in der Gemeinde wart, war sie mit dem Sohn Eures Cousins im Hotel.«
    »Aber das ist nicht wahr, das ist nicht wahr«, beteuerte Rossoni.
    Dann änderte der Duce seinen Tonfall. Er hörte auf herumzubrüllen, reichte ihm ein Blatt aus der »Difesa della razza« und sagte mit sanfter Stimme – fast einschmeichelnd und liebevoll: »Aber deine Mutter, Rossoni, warum hast du uns denn nie gesagt, dass sie Jüdin war?«
    »Jüdin? Meine Mutter? Jetzt auch meine Mutter?«
    »Unterschreib hier und geh in Frieden, und danke Gott, dass ich dich nicht erschießen lasse«, wieder mit harter Stimme.
    »Danke, Duce«, sagte Rossoni da. Unterschrieb und fuhr nach Hause.
    »Auch noch Jude bin ich jetzt geworden«, erzählte er später meinem Großvater, fast weinend vor Wut. »Auch noch Jude, dass ihn doch der Teufel hol!«
    Aber auch bei uns liefen die Dinge nicht mehr ganz so gut. Oder genauer, bei uns Peruzzi im Podere 517 am Canale Mussolini schon. Und auch in dem nebenan von Onkel Temistocle. Tante Bissola und Lanzidei hatten sich endlich ebenfalls in die Nähe von Aprilia niedergelassen, und er hatte seinen Vater und seine Brüder zu sich geholt. Alle hatte er sie zu Bauern gemacht – natürlich waren sie froh, denn das war wenigstens sicheres Brot –, und Tante Bissa beaufsichtigte

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