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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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sie alle, denn keiner von denen hatte zuvor je ein Stück Vieh gesehen. Er war natürlich nach wie vor Antifaschist, aber jetzt, da man ihm den Hof gegeben hatte – Aprilia war schön, der Sumpf trockengelegt, und die Frau war, wie sie war –, ging er auch zum faschistischen Samstag ins Haus des Fascio, in schwarzem Hemd und Milizuniform, das Gewehr geschultert, zu den Exerzierübungen.
    »Gevatter Lanzidei!«, riefen meine Onkel, wenn sie sich trafen.
    Er darauf: »Heil!«, und lachte dazu. Aber es war immer jemand von uns bei ihnen – womöglich Jungs oder Kinder –, und sie waren immer bei uns. Es war ein ständiges Kommen und Gehen auf dem Fahrrad oder mit dem Karren, und das war nicht nur ein Austausch von Gefälligkeiten, Arbeiten und Arbeitstagen, es war auch der Wille, zusammenzuhalten, alle eine einzige große Familie zu bleiben. Tante Bissola war imstande, plötzlich bei uns aufzutauchen – das Fahrrad vollgepackt mit Kindern wie nicht einmal ihr Mann es zuwege brachte, als er noch Unterhosen verkaufte – und wie eine Verrückte herumzuzetern, wenn jemand auf einer Kommode auch nur ein Mitteldeckchen verschoben hatte: »Hier kann man nicht einen Augenblick weggehen, und alle verräumen alles.«
    »Aber hast du nicht dein eigenes Haus?«, sagte Großmutter zu ihr. »Bleib dort!«
    »Aaaah! Ihr wollt mich fortjagen, fortjagen wollt ihr mich«, rief sie. Und war ständig da.
    »Aber jagt sie doch wirklich fort, Großmutter«, sagten sämtliche Kinder.
    Klatsch! »Sei ruhig, du weißt, das ist deine Tante.«
    Wo die Dinge nicht mehr so gut liefen, das war bei Onkel Pericle und bei Onkel Iseo. Sie waren bei guter Gesundheit, und die Frauen verstanden sich bestens. Am Anfang war es wirklich, als wären sie ins Schlaraffenland gekommen. Zuckerrüben, armdick – ich sagte es bereits –, holten sie aus dieser Erde, und Hunderte Zentner Weizen, Heu, Baumwolle, Mais und alles, was man aussäte. Aber dann, eines schönen Tages Ende Mai oder Anfang Juni, wachte Großmutter auf und sagte: »Ich hab von einem schwarzen Mantel geträumt.«
    »Schon wieder dieser schwarze Mantel!«, stöhnten alle. Gefahr für Onkel Treves – den Einzigen, der in diesem Moment weit weg war – bestand keine, denn der Spanische Bürgerkrieg war aus, und er war als Soldat in irgendeiner Kaserne im Piemont stationiert. »Beschwör kein Unheil herauf«, sagte Großvater zu ihr. »Sprich ein Gebet und sei still.«
    Aber da waren auch Armidas Bienen, die am Abend zuvor seltsame Kreise gezogen hatten: » Wwuuuhh, wwuuuhh, wwuuuhh , dorthin wollen wir fliegen«, sagten sie ihr damit.
    »Aber wohin wollt ihr denn fliegen? Bleibt hier, verfluchte Biester!«
    Doch am frühen Nachmittag, gleich nach dem Mittagessen, als bei uns Sonne war, da waren sie nicht mehr zu halten, die Bienen flogen alleine los, wwuuuhh, wwuuuhh, wwuuuhh , und kamen alle hierher zu uns, an den Kanaldamm, wo Armida ein Bienenhaus hatte stehen lassen.
    Und drüben bei ihnen ging ein fürchterliches Unwetter nieder. Entsetzlich viel Hagel. Allerdings nur bei ihnen an der Marchi-Brücke, bei uns nicht. Hagelkörner so groß wie Hühnereier. Steinhart. Einer der kleineren Jungen schaffte es nicht mehr rechtzeitig in den Heuschober, ein Hagelkorn traf ihn am Kopf, und er fiel bewusstlos zu Boden. Eine Platzwunde, und das Blut lief in Strömen heraus. Zerbrochene Dachziegel und das Krachen von Blitzen, grell zuckende Blitze überall, und zwischen einem und dem nächsten, wenn die Helligkeit erlosch, war es so dunkel, als ob es mitten in der Nacht wäre.
    Bei uns hingegen Sonnenschein, man sah aber dort drüben bei ihnen – nicht mehr als drei oder vier Kilometer jenseits der Appia – diesen Himmel, geballt tiefschwarz bis zu den Bergen hinauf, ab und zu vom Knochengerüst der Blitze durchzuckt. »Das ist bei Pericle«, sagte Großmutter und hielt den Kopf zwischen den Händen, »das ist der schwarze Mantel.«
    Die ganze Ernte vernichtet. Das ganze Getreide am Boden, die Maiskolben, die schon reifen Früchte. Ich weiß ja nun nicht, ob Ihnen klar ist, was das bedeutet, eine ganze Ernte futsch, wie meine Onkel sagten. Es bedeutet, dass man das ganze nächste Jahr ohne eine Lira Lohn auskommen muss. Die Familie durchbringen, die Pacht bezahlen, die Rate fürs Auto, die Kinder zur Schule schicken und selbst arbeiten gehen ohne eine Lira Lohn am Ende des Monats, das ganze Jahr hindurch.
    Der Graf Cerisano-Caratelli – anders als die Zorzi Vila – hatte ein Einsehen, rief alle

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