Canale Mussolini
die Frau noch so weinte, jetzt war er zusammen mit dem Bruder im Krieg –, Onkel Temistocle, der von Griechenland nach Jugoslawien gekommen war; mein Vetter Paride bei der Hafenmiliz zwischen Dalmatien und Albanien, die Brüder des Lanzidei auch alle im Krieg, während auf der Seite der Dolfin, denen aus Borgo Hermada, der Mann meiner ältesten Cousine bei der Kavallerie in Russland war, und der älteste Sohn der Dolfin, mein Vetter Ampelio, mit der Marine in China, stellen Sie sich das vor, auf einem Kreuzer in der Mandschurei. Es gab keine Weltgegend, wo nicht irgendein Peruzzi sein Leben aufs Spiel setzte.
Doch da waren die Peruzzi, die im Agro Pontino geblieben waren – Männer und Frauen –, die sich Tag für Tag ins Zeug legten und versuchten, nicht daran zu denken, aber doch an sie alle denken mussten, und zum Herrn beteten, dass er ihnen ein gutes Los bereiten möge, und vor allem beteten sie zu ihm, was aus Pericle geworden war. »Herr, mach, dass er nach Hause kommt«, war der ständige Gedanke meiner Großmutter und Armidas.
Wir arbeiteten. Jetzt war es Großvater, der morgens als erster aufstand und in den Stall ging – in seinem Alter! –, um den Tieren Stroh zu bringen, sie zu melken und auszumisten. Und auch die Frauen machten sich im Stall zu schaffen, ab und zu pflügten sie sogar, das hätten Sie sehen sollen, mit ihrer ganzen Kraft und dem ganzen Gewicht – womöglich zwei gleichzeitig, mit dem Bauch über die Pflugschar gelegt, um sie unten und in der Erde zu halten –, wobei die Tiere mit ihren heftigen Bewegungen sie hierhin und dorthin schleuderten. Und wenig zu essen, denn jetzt war alles rationiert. Auch die Weizenablieferung gab es jetzt nicht mehr nur bei uns von der ONC ; jetzt musste in ganz Italien der Weizen abgeliefert werden. Das war eins der letzten Dinge gewesen – das Wichtigste –, das Rossoni eingeführt hatte, bevor der Duce ihn verjagte. Jeder, der Weizen erzeugte – vom kleinsten Kleinbauern bis zum größten Latifundienbesitzer –, durfte dieses nun nicht mehr auf dem freien Markt verkaufen, an wen er wollte. Er musste alles sofort dem Staat abliefern, zu einem festgesetzten Preis – gleicher Preis für alle –, ohne es in der Scheune versteckt zu halten, solange der Preis niedrig war, und abzuwarten, bis keins mehr da war, und erst dann hervorzuholen, wenn der Preis zu den Sternen gestiegen war, und so mit dem Hunger der armen Leute zu spekulieren. Wenn man jetzt drosch, musste man es dem Staat geben, der kümmerte sich darum: Gleicher Preis für alle, übers ganze Jahr. Da hätten Sie die Landwirte sehen sollen, wie die zeterten: »Aber das ist ja Kommunismus! Ja, wo sind wir denn, etwa in der Sowjetunion?« Und deswegen – wegen der Weizenablieferung und wegen Rossoni – ist auch Ezra Pound Faschokommunist geworden. Der andere dagegen – der Duce – jagte ihn im November 1939 davon: Rossoni natürlich, nicht Ezra Pound.
So jedenfalls sah das Leben aus: arbeiten und basta, wenig essen, beten, dass die anderen wiederkämen, die Kinder großziehen, sonntags im Borgo zur Messe gehen und manchmal auch ins Kino, wieder arbeiten und wieder beten: »Hoffen wir, dass alle heil und gesund wiederkommen. Vor allem Pericle.«
Je mehr die Zeit verging, umso mehr schwanden die Hoffnungen. »Wie soll ich das machen ohne meinen Mann?«, fragte sich Armida ununterbrochen. Und sie fragte es auch ständig ihre Bienen. Die taten so, als hörten sie nichts: summ … summ … summ , zogen sie hierhin und dorthin ihre Kreise. Die eine oder andere sagte aber dann doch tatsächlich zu ihr: »O Armida, ein Drohn ist tot, man zieht einen anderen groß.«
»Sei still, du Verfluchte!« – klatsch! – erschlug sie sie zwischen den Händen. Tot und hinüber für immer. Wer wagte da noch, ihr etwas zu sagen?
Sie werden aber nun verstehen, abgesehen von dem ganzen Schmerz um den geliebten Mann – den Vater der leiblichen Kinder, den Arm und die Stütze, an die sie ihr Leben gehängt hatte –, das Fleisch ist das Fleisch, und Armida war nicht die Person, wie Sie, glaube ich, bereits ahnen, die es fertiggebracht hätte, an gewisse Dinge überhaupt nicht mehr zu denken. Sie wollte nicht daran denken, doch sie musste daran denken. Wie die anderen das machten, wusste sie auch nicht, sie aber dachte ab und zu daran: »Wie soll ich das nur machen, ohne meinen Mann?« Und abends im Bett – vor allem, wenn sie von den Bienenhäusern unten vom Kanal her den Liebesgesang der Bienenkönigin
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