Canale Mussolini
standzuhalten. Nun, nach ein paar Tagen der Luftangriffe, ergab sich Pantelleria kampflos, ohne abzuwarten, dass die auch nur mit einem Schlauchboot zu landen versuchten. Als sie kamen, fanden sie die unterirdischen Hangars voll mit vollkommen intakten und einsatzfähigen Maschinen. »Ja, verdammte Scheiße noch mal«, sagten die Engländer.
Der Duce sagte: »Das macht nichts, wir erwarten sie an der Küste. Alle zurück in die Fluten, da kommen sie um.«
Hingegen landeten sie am 10. Juli 1943 seelenruhig – oder doch fast – unter dem Kommando von General Eisenhower in Sizilien. Ich überlasse es Ihnen, sich vorzustellen, was das italienische Volk gedacht haben muss: »Ja was denn, waren wir denn nicht die Stärksten, die ihr Imperium allen Völkern der Welt bringen sollten? Und wie kommt es, dass die bei uns zu Hause eindringen, ohne dass wir noch in der Lage wären, es zu verteidigen?« Der Widerstand der italienischen Truppen war in der Tat gering. In zehn Tagen hatten die Amerikaner zwei Drittel der Insel besetzt. Am 22. standen sie vor Palermo, und alle Menschen in ganz Italien – auch die Parteibonzen, auch die Minister, auch der König und die Generäle –, alle sagten: »Basta, Duce, es ist aus. Machen wir Schluss hier, ehe es zu spät ist. Bitte um Frieden.«
Und am 19. Juli brach der Duce auf und fuhr nach Feltre, auf halber Strecke zwischen Rom und Berlin, um den Führer zu treffen und ihm zu sagen: »Entschuldige vielmals, Adolf, aber wir müssen um Frieden bitten.« Deshalb hatte er ihn um dieses Treffen ersucht. Und seine sämtlichen Generäle und Untergebenen in banger Erwartung: »Hoffen wir, dass es gutgeht.«
Als ihn aber bei der Rückkehr sein Generalstabschef Ambrosio fragte: »Nun, Duce, wie ist es gelaufen? Was hat der da gesagt?«
»Er hat mich nicht zu Wort kommen lassen. Er allein hat geredet, herumgebrüllt wie ein Verrückter«, und er, der Duce, war still, er hatte nicht den Mut, etwas zu sagen. Unterworfen. »Aber er hat mir gesagt, sie hätten jede Menge Geheimwaffen, neue, unvorstellbar potente Waffen, und damit ist er in der Lage, das Kriegsgeschick von einem Augenblick zum anderen zu wenden.«
»Und Ihr, Duce was sagt Ihr?«, fragte Ambrosio.
»Pah …«, antwortete er.
Unterdessen aber, an jenem 19. Juli, als er in Feltre war, wurde zum ersten Mal überhaupt Rom bombardiert. 4000 Bomben. Im ganzen Agro Pontino hörte man die Flugzeuge, und wir Peruzzi fragten uns besorgt: »Wer weiß, wohin die fliegen …« Und nach einer Weile hörte man von Rom her ein leises Grollen Buuum! … Buuum! … Buuum! , wie ein Gewitter in der Ferne. Das ganze San-Lorenzo-Viertel dem Erdboden gleichgemacht, ebenso Tiburtino, Prenestino, Casilino, Labicano, Tuscolano, Nomentano. Dreitausend Tote und elftausend Verwundete. Konnten wir so weitermachen?
Am frühen Morgen des 25. Juli 1943 – als auf unserem Podere 517 Großvater aufstand, um in den Stall zu gehen – parkte, als er die Tür der Antimückenveranda öffnete, auf der Brücke zur Straße ein Auto. Und auf dem Geländer saß Rossoni. In Zivil. In einem blauen Anzug. Er rauchte. Kaum hatte mein Großvater die Nase hinausgestreckt, warf er die Zigarette in den Graben, sprang auf, stürzte auf das Tor zu und flehte ihn an: »Hilf mir, Peruzzi, hilf mir!«
»Ja, um Himmels willen, Rosón!«, rief Großvater. »Immer noch wegen dieser Sache in Copparo?«
»Ach was, Copparo, Peruzzi, verflucht«, entgegnete Rossoni. »Hier hilf mir, mein Bester, nicht in Copparo! Wenn die uns erwischen, bringen sie uns um.«
Seit vier Uhr – oder vielleicht schon früher, seit halb vier – stand er dort auf der Brücke und wartete, dass jemand herauskäme. Er wollte weder hupen noch sonst irgendwelchen Lärm machen. Ja, er war sogar besorgt, dass allein das Motorengeräusch – mitten in der Nacht auf den Schotterstraßen des Agro Pontino – schon jemanden alarmiert haben könnte. Tatsächlich hatten mein Vetter Paride und Armida es gehört, als sie, der eine mit dem Netz über der Schulter, die andere mit dem kleinen Kind auf dem Arm über die Felder zurückkamen vom Ufer des Canale Mussolini, wo sie unterhalb des Wasserfalls gefischt hatten. »Wer das wohl sein mag?«, hatten sie sich gefragt, ohne jedoch die geringste Absicht, nachschauen zu gehen, denn es war höchste Zeit, nach Hause ins Bett zu kommen, bevor es hell wurde.
Am Abend zuvor hatte Rossonis Frau nicht gewollt, dass er in die Versammlung des Großrats ging. »Geh da nicht
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