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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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in der Kirche mit dabei. Aber nur in der Kirche, im Rathaus nicht. Don Orlando traute sie heimlich, alle waren in Trauerkleidung – nur sie trug einen kleinen weißen Schleier auf dem Kopf –, in der Kirche von Borgo Podgora, und erst danach schauten sie sich an und sagten sich guten Tag, lass sehen, wie du riechst und ob wir uns vertragen können. Es war nicht nötig, sich das zu sagen. Es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, sie mussten sich vertragen – vor allem aber wollten sie es. Das gelang ihnen dann auch, und sie haben Turatis Kindern eigene hinzugefügt. Es war nicht nur wegen des Eids gegenüber dem Bruder, sondern so ist das Gebot der Väter, so steht es in der Bibel. Onkel Treves heiratete die Schwägerin jedoch nur vor Gott und den Peruzzi. Nicht vor dem Staat. Sollten wir ihm etwa die Kriegerwitwenpension zurückgeben? Wenn die Witwe sich wieder verheiratet, hat sie keinen Anspruch mehr darauf. Da schaut der Staat halt durch die Finger, wenn er nicht genug weiß.
    Im Juni 1942 jedenfalls waren wir noch an allen Fronten siegreich – an fast allen, außer in Ostafrika natürlich. Sicher, der Hunger war groß, die Arbeit viel und die Sorgen auch – um all die, die fort waren –, aber bei uns kam Onkel Temistocle nach Haus, und wir konnten es kaum fassen. Nicht nur seine Frau, Tante Clelia – wenn sie abends mit ihrem Mann ins Schlafzimmer ging, trug sie ein Lächeln im Gesicht, dass sogar Armida lachen musste, aber wenn sie dann die Laute von dort drinnen hörte oder sich ausmalte, musste sie wieder ihre sämtlichen Kinder zu sich ins Bett holen und sich das Kissen zwischen die Schenkel stopfen –, aber alle miteinander waren zufrieden und überglücklich, weil ein Mann mehr da war, und noch dazu einer von diesem Kaliber. Es war der ONC gelungen, ihn freistellen zu lassen: »Man braucht jemand auf den Getreidefeldern, sonst gewinnen die Soldaten den Krieg, aber es ist kein Volk mehr da, weil es verhungert ist.« So wurde er nach Hause geschickt, und wir konnten ein wenig aufatmen.
    Es war Juni 1942 – Mitte des Jahres –, und auch wenn wir in dem Augenblick siegreich waren, so besteht ein Jahr doch immer aus zwölf Monaten: Nach dem Frühling kommt der Sommer, und nach dem Sommer kommen bekanntlich fast immer Herbst und Winter. Wehe dem, der sich nicht rechtzeitig warm anzieht.
    Die amerikanischen Waffenfabriken hatten mit Volldampf zu produzieren begonnen, und das Kriegsgeschick wendete sich. Schon Mitte November hatten die Engländer uns jede Hoffnung auf einen Sieg in Afrika genommen. Im Februar 1943 war dann Stalingrad gefallen. Danke schön und auf Wiedersehen auch dort. Die ersten Überlebenden trafen in Italien ein. Die Leute sahen sie, redeten mit ihnen, es sprach sich herum. Und wenn es auch bereits 1940/41 einige Angriffe gegeben hatte, wurden unsere Städte, vor allem die Hafen- und Industriestädte des Nordens, doch erst 1942 massiv und gezielt bombardiert. Es war die »Herbstoffensive« der Royal Air Force. Und solange die Menschen Nachrichten von der Front bekommen, auch wenn sie schlimm sind, per Brief oder in den Radiomeldungen, ist das eine Sache, aber es ist doch bitte schön eine ganz andere Sache, wenn ihnen zentnerschwere Fliegerbomben auf den Kopf zu prasseln beginnen. »Verdammt«, sagen die Menschen da.
    Im März 1943 wurden überall in Italien immer mehr Zweifel laut, und bei Fiat Mirafiori in Turin traten die Arbeiter in den Streik – zum ersten Mal seit zwanzig Jahren –, mit der Forderung nach mehr Brot und vor allem Frieden. Der Streik weitete sich auf Mailand und andere Industriezentren im Norden aus, aber diesmal konnte man keine Aktionstrupps hinschicken, um die Arbeiter zur Räson zu bringen. Sicher, im Radio hörte man nichts davon, aber es sprach sich herum, bei all dem Hin und Her von Heimkehrern, Verwundeten, rekrutierten oder versetzten Soldaten: »Bei Fiat hat es Streik gegeben.« Und Streik war damals ein verbotenes Wort, verstehen Sie?
    Im Mai wurden wir dann auch aus Nordafrika verjagt – Addio Tripolis, du schöner Hort der Liebe –, und sofort machten die Engländer sich bereit, um nach Italien zu kommen. Bei uns hieß es im Radio: »Wir kehren zurück! Zunächst sind da unsere befestigten Vorposten Pantelleria und Lampedusa, die ihre Truppen daran hindern werden, zu uns zu kommen«, vor allem Pantelleria, das so stark ausgebaut und bewaffnet war, wie Sie es sich gar nicht vorstellen können, gerüstet, um jedwedem Landungsversuch unbegrenzt

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