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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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hörte, der das Blut der Drohnen in Wallung brachte, damit sie am nächsten Tag Leib und Seele daransetzten, ihr hinterherzueilen – wälzte Armida sich hin und her: »Verdammte Huren und Drecksäue«, und sie drückte ihre Kinder an sich, die sie mit ins Bett genommen hatte, um nicht daran zu denken. Schließlich stopfte sie sich ein Kissen zwischen die Schenkel. Versuchen Sie mal, nicht daran zu denken!
    Unterdessen war Juni 1942 geworden. Rommel stand vor El Alamein, nur sechzig Kilometer von Alexandria entfernt. Wir waren siegreich. In Italien war die Brotration auf 150 Gramm pro Tag gesunken. Auch in Russland hatte die Offensive der Achsenmächte auf Stalingrad und die kaukasischen Ölquellen mit Macht wieder eingesetzt. Die italienischen Truppen – von uns war ein Vetter aus der Familie Dolfin dort bei der Kavallerie, und meine Onkel Treves und Turati waren bei den Schwarzhemden – witterten schon den Sieg. Am 24. August nahm mein Vetter Argesilao Piva aus Borgo Montenero – Vetter, weil er die älteste Dolfin-Tochter geheiratet hatte – in der Steppe von Izbušenko in einer Schleife des Don an der letzten Kavallerieattacke in der Geschichte des Königlichen Italienischen Heeres teil, gegen reguläre Bodentruppen. Es war die Cavalleria Savoia, und mehrmals ritten sie im Galopp und mit gezogenen Säbeln gegen die Mörser, Kanonen und Maschinengewehre des 812. siberischen Infanterieregiments an, das inmitten von Sonnenblumenfeldern in Schützengräben verschanzt lag. In den Geschichtsbüchern wird das tatsächlich als die Attacke von Izbušenko erwähnt, und mein Vetter Argesilao Piva kam lebend nach Haus – und sie brauchen mir jetzt nicht zu wiederholen, sie – die Russen – seien dort schließlich bei sich zu Hause gewesen und wir seien dorthin gezogen: »Jeder hat seine guten Gründe«, wie mein Onkel Adelchi immer sagte. Uns hat der Duce nach Russland geschickt, und wir sind gezogen.
    Wer dagegen aus Russland nicht wiederkam, war Onkel Turati. Auch er fiel neben dem Bruder – »Es hat mich erwischt, es hat mich erwischt« –, und sein Bruder, Onkel Treves, streckte sich neben ihm aus. »Ruhig, ganz ruhig.«
    »Aber wie denn, Treves, es ist vorbei, verflucht seien die Zorzi Vila«, und er wurde blasser und blasser im ganzen Gesicht, derweil das Blut nach und nach aus ihm herauslief.
    »Sag doch das nicht, Turati, du Hund!«, rief Onkel Treves schon unter Tränen.
    »Kümmre du dich um meine Kinder … und um meine Frau!«
    »Aber sagt man denn so etwas? Sicher kümmere ich mich um sie, mein kleiner Hund.«
    »Schwör es …«, und er starb.
    »Ich schwör’s dir, ich schwör’s dir«, sagte Onkel Treves, aber Turati, der Hund, der Silberreiher unter den Peruzzi, war bereits hinübergegangen.
    Da wischte sich Onkel Treves die Tränen aus den Augen, schloss die des Bruders und kehrte zurück in die Attacke. Und dann, während dieses ganzen Rückzugs aus Russland, dreihundertfünfzig Kilometer Gewaltmärsche durch Eis und Schnee, schlimmer als Napoleon – General Winter eben, zwischen fünfunddreißig und zweiundvierzig Grad minus, obendrein überhaupt nicht ausgerüstet, Schuhe aus Pappkarton und die Klamotten von miserabler Qualität, dazu die Leute, die nicht mehr konnten und sagten »Jetzt ruhe ich mich kurz aus«, und sobald sie anhielten und sich setzten, waren sie auch schon zu Eis erstarrt und erfroren –, ist es Onkel Treves stets gelungen, voranzugehen und schließlich nach Haus zu kommen, nur mit dem einen fixen Gedanken im Kopf: »Ich muss zurückkehren wegen der Kinder und der Frau meines armen Bruders.« Und kaum in Šebekino, hinter den deutschen Linien angekommen, schrieb er als erstes nach Hause: »Sagt der Schwegerin, das für sie und die Kleinen immer ich sorgen werd.«
    »Was soll das heißen, er wird für sie sorgen? Und wir, wer sind wir denn?«, fragte Onkel Adelchi, während die Frauen schrien und Großmutter die schwarze Trauerkleidung hervorholte. Die hat sie dann nie mehr abgelegt, ja, schon während sie sie anzog, dachte sie: »Das ist auch für Pericle«, obgleich sie den Gedanken zu unterdrücken suchte und abzuändern in: »Herr, gib, dass wenigstens er zurückkommt.«
    Nach einer langen Irrfahrt durch Europa fand Onkel Treves gegen Ende 1945 schließlich nach Haus, und seine erste Tat war, dass er hinging und – ohne sie auch nur anzuschauen oder ihr guten Tag zu sagen – seine Schwägerin, die Frau seines Bruders, heiratete, sämtliche Kinder und Verwandte waren

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