Canale Mussolini
Sermonetaner Marokkaner, die jenseits der Appia wohnten. Es war bloß wegen der Karten, ich schwör’s Ihnen – mit Politik hatte das nichts zu tun –, auch wenn die nach dem Krieg hingingen und behaupteten, es wäre wegen der Politik gewesen, weil sie Antifaschisten waren, und die Peruzzi hätten sie deswegen angegriffen, und einer bezog dann sogar eine Rente, als von den Faschisten Verfolgter. Nichts da, es war nur wegen den Karten und vielleicht wegen zu viel Wein – Marokkaner hier, Cispadanier da, während sie spielten –, und dann griff man zu den Fäusten. Zusammen mit Onkel Pericle und Onkel Temistocle waren da auch Onkel Cesio – der Vermessungswesen studierte – und mein Vetter Paride, sie waren die Jüngsten. Zwei Jüngere und zwei Ältere: Die unseren waren also insgesamt vier. Die anderen dagegen waren sechs oder sieben, und als der Wirt sagte: »Schluss da! Geht bitte schön nach draußen«, fing Paride als erster an, Zaunpfosten auszureißen – oder die Stützpfähle für die eben an der Appia angepflanzten Pinien, das weiß ich jetzt nicht mehr, Pfosten jedenfalls, Pfeiler – und seine Leute ihm nach, und sie haben den anderen da so viele Pfahlhiebe versetzt, dass die sich noch heute daran erinnern. Einer bezieht noch jetzt eine Rente als politisch Verfolgter, von den Peruzzi Verfolgter. »Los, geh mit anderen Leuten Karten spielen«, sagte Onkel Adelchi zu ihm, wo immer er ihm begegnete, bis zum letzten Tag. Und sah sich dabei um, fast wie auf der Suche nach einem Pfahl.
Zu uns aber war Paride sanft und freundlich wie ein Märchenprinz – das müssen Sie mir glauben –, er war gutmütig und empfindsam und hörte sich jeden Schwachsinn an, den wir ihm auftischten. Er war sogar schüchtern – wenn man ihn zu nehmen wusste – und hilfsbereit. Großmutter hatte noch gar nicht »Paride« gesagt, da eilte er herbei, und schon war die Sache erledigt: »Zufrieden, Großmutter?«
»Und ob«, sagte sie.
Die ersten, die ihn an jenem Tag seines Heimaturlaubs auf der Brücke über den Kanal kommen sahen – sie lebten in den Bienenhäusern darunter –, waren die Bienen, die ihm alle ganz glücklich entgegeneilten. Summ … summ … summ . Aber kaum waren sie bei ihm: fffiitt … schsch! , ergriffen sie sofort die Flucht.
»Aber was haben die bloß?«, dachte er und ging geradewegs auf das Podere 156 zu, wo sein Vater Temistocle und seine Mutter Clelia lebten, die Schwester mit ihren Kindern, ihr Mann war auch im Krieg, die Brüder und eine weitere Schwester der Mutter mit etlichen Kindern sowie Armida, Pericles Frau, mit ihren Kindern. Küsse und Umarmung für alle: »Paride, Paride.« Nur als Armida dran war mit dem Umarmen – Sie müssen bedenken, Paride war fast wie ein Sohn für sie, denn als Armida in Codigoro zum ersten Mal zu den Peruzzi kam, um für immer zu bleiben, war sie etwa siebzehn oder achtzehn Jahre alt, er aber fünf, und wer weiß, wie oft sie ihn als kleinen Jungen in die Wanne gesteckt und gebadet hat, womöglich zusammen mit ihren eigenen Kindern, im Arm gehalten, getröstet, versohlt oder gepflegt hat, wenn er krank war –, als Armida ihn umarmte, wich sie sofort angeekelt zurück: »Aber du hast ja Flöhe, verflucht seist du und die Zorzi Vila.« Flöhe.
»Flöhe! Paride hat Flöhe«, johlten die Kinder lachend.
Also bring die Wanne auf die Tenne. Hol warmes Wasser aus dem Kessel. Setz einen anderen Kessel auf ein neues Feuer beim Ofen, um die Kleider auszukochen. Reib ihm den Kopf tüchtig mit Lampenöl ab – er schrie »Au, au!« –, zieh ihn ganz aus bis auf die Unterhose und dann »Einseifen!« in der Wanne, sämtliche Kinder ringsherum, und Armida und die Mutter, die lachten. Die Kinder schrien: »Erzähl, erzähl uns von deinem Kriegsmotorboot. Wie macht das? Wromm, wromm! «, kletterten auf den Wannenrand und schlugen platschend ins Wasser.
Er lachte. Sah sich um und lachte. Dann begegnete er Armidas Blick und bat sie im selben Tonfall wie als Kind: »Tante! Wascht mir bitte den Rücken …«
Da begann Armida, ihn einzuseifen, und sie lachte auch. Aber wie sie ihn so einseifte und ihm mit der Hand über den Nacken fuhr, den Rücken hinunter und über die Hüften, das Pulsieren der Muskeln und Sehnen spürte, die einzelnen Rippenbögen und die kräftigen Muskelstränge entlang der Wirbelsäule, überkam Armida eine Art Schwäche, und gleich darauf wurde sie feucht zwischen den Schenkeln. Sie presste sie gegen die Wanne und rieb sich einen Augenblick daran.
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