Canale Mussolini
Parteisekretär des Partito Fascista Repubblicano und Gründer und Kopf der Schwarzen Brigaden. Früher war er eng mit Ciano befreundet gewesen, so eng, dass dieser im Gefängnis in Verona, während er auf den Prozess wartete, sich ständig sagte: »Du wirst sehen, Pavolini regelt das, und ich komme frei.«
Ciano war sich überhaupt nicht im Klaren, was für einen Schlamassel er angerichtet hatte. Er hatte sich seelenruhig in ein Flugzeug der Deutschen gesetzt – gleich nachdem diese den Duce am Gran Sasso befreit und nach Deutschland gebracht hatten – und hatte sich mit der ganzen Familie dorthin bringen lassen. »Da rede ich dann mit dem Schwiegervater und regle alles. Das war doch nur Spaß.« Dort hingegen waren nicht nur sämtliche Deutschen und RSI -Faschisten stinksauer auf ihn, sondern die Allersauerste war ausgerechnet seine Schwiegermutter Rachele, die sofort zu ihrem Mann, dem Duce, sagte: »Lass ihn auf der Stelle erschießen, sonst werde ich ernsthaft sauer.« Da konnte die Tochter heulen, was sie wollte: »Er ist der Vater meiner Kinder.« – »Das hätte er sich früher überlegen sollen.«
Er dagegen – Ciano – meinte immer noch, es wäre alles ein Spiel. Er ahnte nicht, dass Pavolini dagegen – »Jeder hat seine guten Gründe« – ganz und gar nicht spielte. Im Gegenteil, Alessandro Pavolini spielte seine letzte Partie wirklich unter vollem Einsatz all seiner Kräfte und mit vollkommener, verzweifelter Klarsicht: »Koste es, was es wolle.« Er war ein guter Schriftsteller und braver Familienvater, aber er sah rot und kannte Mitleid mit niemandem, am wenigsten mit sich selbst. Er war der Einzige von den Parteibonzen, der sich zur Wehr setzte, schoss, zu kämpfen und mit der Waffe zu fliehen versuchte, als die Partisanen sie am 27. April 1945 auf der Straße, die am oberen Comer See von Menaggio nach Dongo führt, gefangen nahmen und am folgenden Tag, am 28. April 1945, frühmorgens hinrichteten. Er ging an der Spitze der Reihe, die man zum Exekutionsplatz führte, und er war auch der Einzige, der am Tag zuvor verwundet worden war, der Einzige, der versucht hatte, Widerstand zu leisten. Die anderen hatten sich alle ergeben und basta: »Amen«, wie übrigens der Duce selbst auch. Er, der MANN , wurde als Bauer verkleidet und in einem deutschen Lastwagen versteckt von den Partisanen gefangen genommen. Von wegen: »Wenn ich vorrücke, folgt mir, wenn ich zurückweiche, tötet mich!« Wie Sie wissen, wurden die Leichen des Duce und seiner Bonzen, die sich wie er kampflos ergeben hatten – zusammen mit der Pavolinis, der sich aber gewehrt hatte –, am Morgen des 28. April mit einem Lastwagen nach Mailand gebracht. Auch Claretta Petacci. Und dann am Vordach einer Tankstelle am Piazzale Loreto an den Füßen aufgehängt, damit die Menschen sie besser sahen; knapp ein Jahr vorher hatten sie selbst an derselben Stelle das Gleiche getan, hatten fünfzehn antifaschistische Partisanen hingerichtet und ihre Leichen dem allgemeinen Gespött preisgegeben. »Jeder hat seine guten Gründe«, wie mein Onkel Adelchi immer sagte. »Wie du mir, so ich dir.«
Jedenfalls wäre es für Rossoni übel ausgegangen, wenn Pavoloni ihn erwischt hätte. Aber das gelang ihm nicht. Nicht mal mit Kanonenschlägen hätte man ihn aus dem Vatikan herausgeholt, solange RSI -ler und Deutsche in Rom unterwegs waren und er das Todesurteil am Hals hatte. Als die dann abzogen und die Amerikaner nach Rom kamen, lief seine Frau auf den Petersplatz und erwartete ihn: »Ach, mein lieber Edmondo! Endlich ist es vorbei.«
»Vorbei? Ja, bist du verrückt?«, erwiderte er und eilte nach Haus, um die Koffer zu packen und sich in Neapel für das erste Schiff ins ferne Amerika anzustellen.
»Aber welche Gefahr besteht denn, Italien ist doch nun befreit!«
»Ach, sei doch still, du dumme Gans. Willst du mir vielleicht beibringen, wie man flieht?«, und sie gingen nach Kanada. Wie vor vierzig Jahren.
Nun, Sie werden es nicht glauben, aber das Schiff war noch nicht außerhalb der italienischen Hoheitsgewässer, da hatten ihn die Gerichte unseres befreiten Italien auch schon als faschistischen Kriminellen, wie andere verantwortlich für die Verbrechen des Faschismus, zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt. Er aber war unterdessen in Kanada – »Fang mich, wenn du kannst« – und kehrte erst 1948 zurück, als durch die Amnestie alles erledigt war. Er zog sich ins Privatleben zurück und machte nicht mehr von sich reden. Er hielt sich nur
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