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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Unterdessen hatte ihre Hand innegehalten. Dann fuhr sie fort mit dem Einseifen und kniff ihn fest in den Rücken, fast wie ein Biss. Und sofort zog Armida sich zurück und lachte nicht mehr. Sie warf die Seife in die Wanne und trat einen Schritt zurück.
    »Was ist los, Tante?«, fragte Paride. »Los, wascht mir den Rücken …«
    »Lass ihn dir doch von deiner Mama waschen«, und sie ging.
    »Aber was hab ich ihr denn getan?«, fragte Paride vergeblich alle ringsum. Aber das ging noch etliche Tage so weiter, denn je mehr er mit ihren Kindern spielte – »Aber ja, an einem dieser Abende nehm ich euch auch mit zum Fischen« – und ihr näher zu kommen versuchte, desto finsterer wurde sie und schob ihn mit bösem Gesicht fort: »Bleib mir weg.«
    »Aber was hab ich Euch denn getan, Tante?«
    »Bleib mir weg, hab ich gesagt.« Und so auch auf dem Acker, er arbeitete in einer Reihe mit den andern, sie verständigten sich durch Rufen, sie aber blieb für sich, versuchte die Augen um jeden Preis auf den Boden geheftet zu halten und ihn nie anzusehen, aber wenn sie ab und zu wie unvermeidlich den Blick hob und seine Schultern sah – diese Schultern –, dann spürte sie wieder dieses Ziehen zwischen den Schenkeln.
    Nicht einmal die Bienen durften ihr mehr nahe kommen – »Aber geh doch zum Teufel, du … summ summ! « –, und wenn es nicht anders ging und sie bei ihnen Arbeiten verrichten musste, wie Honig holen oder Wachs herausnehmen, dann tat sie das eilig, ohne Zeit zu verlieren oder mit ihnen zu schwatzen. Es fehlte wenig, und sie hätte den Hut mit dem Schutzschleier aufgesetzt.
    »Hu, wie ungut sie ist, hu«, sagten sie. »So was Ungezogenes!« Wenn aber er sich abends vor dem Dunkelwerden beim Wassertrog mit nacktem Oberkörper in einem Bottich wusch und sich das Wasser mit den Händen unter die Achseln warf oder sich den Nacken einseifte, und sie, ob sie wollte oder nicht, vom Hühnerfüttern aufschaute und verstohlen einen Blick hinüberwarf und sich pünktlich wie das Verhängnis dieses Ziehen zwischen ihren Schenkeln einstellte, dann landete sofort eine von ihnen im Sturzflug dicht neben ihrem Auge: »Du widerliche Sau … summ summ «, und zog gleich seitlich wieder in die Höhe, um ihr zu entkommen.
    »Verfluchte Bestien«, sagte sie und versuchte vergeblich, sie mit der Hand im Flug zu erwischen.
    »Du Sau, du Sau«, erklang in der Höhe lächelnd das summ, summ ihrer Bienen. Auch wenn ab und zu eine sanftere zurückkam und zu ihr sagte: »Nimm dich in Acht, Armida, nimm dich in Acht.«
    Sie nahm sich in Acht und mied ihn in jeder Weise. Er versuchte immer wieder in jeder Weise sie zu fragen: »Aber was hab ich Euch denn getan, Tante?«, und sie jedes Mal darauf: »Hau ab!« Aber er war da. Er konnte sich nicht in Luft auflösen. Und er redete und lachte mit lauter Stimme, plauderte laut mit den Nachbarn, die vorbeikamen, mit den Brüdern und Vettern. Und abends nach dem Essen und nach dem filò auf dem Brückengeländer – wenn der Großteil der Verwandten zu Bett gegangen war – packte er Fischernetz und Azetylenlampe und ging, einen Abend mit dem einen, den anderen Abend mit einem anderen, an den Canale Mussolini zum Fischen.
    Damals konnte man dort alles fangen. Das Wasser war klar und sauber, man konnte es auch trinken, und der Canale Mussolini war voller Fische. Aale, so viele man wollte, unglaublich dick. Dann Perlfische, Karpfen, Döbel, Flusskrebse, Ährenfische. Sie wissen schon, diese kaum fingerlangen Ährenfische mit dem Silberstreif auf der Seite, die man in Fett ausgebraten mit dem Löffel essen kann. Man brauchte das Netz nur auf die Wasseroberfläche zu legen, und die Fische sprangen von selbst hinein vor lauter Lust, man musste schon: »Bleib weg!« zu ihnen sagen, um sie zu vertreiben. Und die Karpfen nie unter zehn oder fünfzehn Kilo, auch einige mit zwanzig haben wir gefangen.
    Später – 1960, als Wohlstand und Reichtum kamen und in Cisterna auch Fabriken – gab es keinen Fisch mehr im Kanal, und im Becken unter dem Wasserfall türmte sich der Schaum und staute sich bis hinauf zur Brücke an der Via della Sorgente. Seit einigen Jahren, seitdem man auch in Cisterna eine Kläranlage gebaut hat, sind wieder Fische im Canale Mussolini, und gerade gestern, das müssen Sie mir glauben, waren da auch wieder schneeweiße Reiher, sie saßen auf der Schwelle über dem großen Wasserbecken und fischten. Ich weiß allerdings nicht, ob auch Lachse da sind oder zurückgekehrt sind. Karpfen,

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