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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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vergrößert – und in Militärunterhosen. Armida griff sich das Kissen und stopfte es sich wieder zwischen die Schenkel, vollkommen lautlos weinend. »Wo mag mein Mann sein? Ist er tot oder lebendig? Er ist tot, er ist tot …«
    Eines Tages dann – es mochte eine Woche sein, seitdem Paride auf Urlaub gekommen war – stürzte ein Flugzeug ab, während sie auf den Feldern waren. Es war ein Kampfjäger, und zusammen mit anderen war er auf dem Rückweg zum Flughafen, der, wie Sie wissen, knapp vier Kilometer von unseren Höfen entfernt ist. Er flog tief, ruckelnd, stieg hoch und wieder runter, qualmte, vor allem aber verlor der Motor an Drehzahl: vroooem… vrooeembembem… , während ein Freund von ihm oben über ihm kreiste. Er schaffte es nicht. Er sank allmählich tiefer, drehte längs dem Kanalufer bei und versuchte im breiten Flussbett des Kanals zu landen – der Motor spuckte nur noch: vrooo… put put . Man hörte einen dumpfen Aufprall am Boden – paff –, und dann den Ausbruch der Feuers und das Prasseln der ersten Flammen. Wir liefen hin. Paride sagte: »Bleibt weg!«, auch zu denen von den benachbarten Gütern, und nur er und Onkel Temistocle rannten hin, holten den Piloten heraus und schleiften ihn ans Ufer, während der Tank explodierte und das Flugzeug ausbrannte. Der Freund drehte noch eine Runde über ihm, ging ganz tief runter, dann flog er zum Flugplatz. Knapp vier Kilometer, ich sagte es schon.
    Sie waren fast sofort da mit einem Krankenwagen und einem LKW . Aber es war nichts mehr zu machen. Der Pilot war tot. Er war jung und blond. Armida kauerte neben ihm, seinen Kopf in ihrem Schoß. Er hatte nur: »Ivana …?« zu ihr gesagt.
    »Ja, ich bin’s«, hatte Armida geantwortet und ihm einen Kuss aufgedrückt. Dann war er gestorben, und sie hielt ihn fest.
    Seine Kameraden holten ihn ab. Sie löschten Brandreste am Flugzeug und nahmen ihn mit: »Das Flugzeug kommen wir in ein paar Tagen holen.« Sobald sie weg waren, gingen auch wir bedrückt auf unsere Felder zurück. Nur Armida blieb noch ein Weilchen dort, genau an der Stelle, wo sie ihn am Boden im Gras im Arm gehalten und geküsst hatte, während er starb. Er war jung. Er war blond. »Ivana«, hatte er gesagt. Wer weiß, wie sehr Ivana weinen würde, und wie lang. Später würde sie wieder lachen. Weil Ivana jung war. Und sich wieder verlieben würde. »Nimm dich in Acht«, summten ihre Bienen um sie herum. »Nimm dich in Acht, Armida!«
    »Haut ab, verfluchte Biester!«
    An diesem Abend wollte niemand mit Paride zum Angeln gehen. »Ich habe keine Lust«, »Ich auch nicht.« Armidas Kinder dagegen drängelten ihn: »Nimm uns mit, Paride, nimm doch uns mit.«
    »Nein, ihr geht ins Bett«, sagte Armida.
    Auch er wollte fast nicht mehr gehen. Dann aber überlegte er sich: »Nach dem Urlaub muss ich zurück in den Krieg, und ich könnte auch sterben. Nein, ich geh angeln!«, und er packte das Netz, die Lampe, um die Fische zu blenden, und ging allein zur Schwelle oben am Kanal.
    Als er zurückkam, schliefen alle miteinander fest. Türen und Fenster offen. Nur die Mückengitter geschlossen, und nur Armida hatte sich bis jetzt in ihrem Bett herumgewälzt, ohne einschlafen zu können, ständig hatte sie an ihren Mann gedacht – Onkel Pericle –, der vielleicht nicht mehr lebte, und an diesen Jungen von heute Morgen, jung und blond, den Kopf in ihrem Schoß, der jetzt sicher nicht mehr lebte, seine Ivana aber wusste es noch nicht, sie lag jetzt womöglich auch im Bett und dachte mit einem Lächeln daran, wann er das nächste Mal kommen würde.
    Und Armida musste an jenes Mal denken – vor langen Jahren in Codigoro –, als ihr Nachbar, den sie eben beim Mittagessen gesehen hatte, im Wirtshaus »Briscola!« gesagt hatte und mit dem Kopf dort auf der Tischplatte liegen geblieben war; sie hatte ihm die Nägel sauber gemacht, ihn auf seinem Bett aufgebahrt, und in der Nacht war plötzlich der verrückte Pericle aufgetaucht, den sie vorher nicht mochte. Und während sie sich im Halbschlaf herumwarf – die Kinder neben ihr drehten sich auch um und schnaubten, wenn sie sie anstieß: »Ach, Mamaaaa!« –, hörte sie ihn unten hereinkommen, hörte, wie er das Streichholz anriss, tsss , sah den ersten Lichtschimmer, der im Treppenhaus über die Wände und an der Decke heraufgeisterte. Armida hielt den Atem an, lag jetzt still und reglos in ihrem Bett.
    Er kam herauf. Er pfiff – fast –, mit dieser Art von Pfeifen, wobei man nur ein ganz klein wenig

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