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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Luft durch die Vorderzähne streichen lässt. Nur so für sich pfiff er Lili Marleen:
    Vor der Kaserne,
    vor dem großen Tor,
    stand eine Laterne
    und steht sie noch davor.
    so wolln wir uns da wiedersehn,
    bei der Laterne wolln wir stehn,
    wie einst, Lili Marleen.
    Unsere beiden Schatten
    sahn wie einer aus,
    dass wir so lieb uns hatten,
    das sah man gleich daraus.
    und alle Leute solln es sehn,
    wenn wir bei der Laterne stehn,
    wie einst, Lili Marleen.
    Sie sah ihm von unter ihrem Kissen her zu, wie er sich auszog bis auf die Unterhosen – den Rücken nackt –, das Laken hochhob, sich darunterlegte und das Licht ausblies. Dunkelheit. Das Mondlicht, das durch das Fenster hereinkam – und noch zusätzlich den wenig wahrscheinlichen Schlaf Armidas störte –, fiel auf sämtliche Wände des Podere 516 meines Onkels Temistocle Peruzzi.
    Armida hörte, dass Paride sich zwei oder drei Mal im Bett herumdrehte, wie wenn man nach der richtigen Position zum Einschlafen sucht.
    Gefunden.
    Wie alle auf dem Hof schlief nun auch Paride. Mondlicht an den Wänden. Ruf einer Eule vom Ast eines Eukalyptus. Zirpen einer Grille vom Stalldach. Ein leises Muuuh von den Kühen. Das Schnarchen – ab und zu aussetzend – von Onkel Temistocle. Das undeutliche »Mam …« eines Kindes im Schlaf. Nur Armida war wach und verzweifelt.
    Sie stand auf.
    Auf Zehenspitzen schlich sie ins Kämmerchen. Sie schloss die Tür hinter sich. Sie zog sich das Nachthemd über den Kopf, ließ es zu Boden fallen. Sie hob das Laken hoch und glitt nackt ins Bett. Mit einer Hand verschloss sie ihm den Mund, mit der anderen zog sie das Laken wieder über sich.
    Paride machte große Augen.
    Da nahm sie die Hand weg. Er packte sie an den Hüften. Sie presste ihm die schweren, harten Brüste gegen den Mund: »Beiß zu«, sagte sie, »beiß!« Und er gehorchte und biss zu.
    Als sie fertig waren, sagte er zu ihr: »Danke, Tante. Schon als Kind habe ich von nichts anderem geträumt als von diesem Augenblick.«
    »Du Schwein!«, rief sie.
    »Du Sauuuuu du« , summten den ganzen lieben nächsten Tag lang unentwegt ihre Bienen. Und alle lachten sie, und sie lachte auch. »Das Leben muss man genießen«, sagte die Bienenkönigin.
    »Nimm dich in Acht, Armida, nimm dich in Acht!«, sagte der Eukalyptus gleich daneben.
    »Gib acht … summ summ summ «, wiederholte die eine oder andere Arbeitsbiene mit ihm.
    Am Abend gingen nun endlich auch Armidas Kinder mit zum Fischen. Alle miteinander. Er hatte am Nachmittag etwas oberhalb der Schwelle aus Eukalyptuszweigen und ihrem Laub eine Hütte gebaut, an den Uferdamm gelehnt. Eine Decke am Boden – gegen die Feuchtigkeit –, und nach den ersten zwei Stunden, wenn die Neuigkeit nachließ und sich die Müdigkeit einstellte, legten sie sich einer nach dem anderen dort schlafen. Die beiden dagegen – nachdem sie sich vergewissert hatten, dass auch der Letzte wirklich schlief – badeten nackt unter dem Wasserfall, nahmen sich wieder und wieder, während die Fische, die an allen Seiten an ihnen vorbeiglitschten, lachend zu ihr sagten: »Du Drecksau.«
    »Haut ab!«, sagte sie und lachte und lachte, während sie mit den Schultern auf der Pflasterung des Beckens auflag, den übrigen Körper in der Strömung der Mittelrinne des Kanals treiben ließ und Paride sie nahm.
    »Kratz mich nicht so«, sagte er.
    »Du bist ganz dein Onkel«, sagte sie danach – fast jedes Mal – und streichelte ihm zärtlich durchs Gesicht.
    »Armer Onkel«, sagte er da traurig.
    Und so jeden Abend. Bald, nach zwei, drei Abenden, hatten die Kinder es dann satt: »Genug mit Fischefangen, ich geh ins Bett«, und einer nach dem anderen blieben sie zurück – Jungen wie Mädchen –, und am Schluss waren nur noch sie beide und der Kleinste, Menego, der erst zwei Monate auf der Welt war, als Onkel Pericle fortging. Er dürfte dreieinhalb Jahre alt gewesen sein. Sie trug ihn immer auf dem Arm – er konnte sich nicht wehren –, und jeden Abend zogen sie mit ihm auf dem Arm und dem Netz über der Schulter zum Canale Mussolini.
    »Aber wie kommt’s, dass du so wenig fängst in letzter Zeit?«, fragten seine Mutter und seine Brüder Paride. »So wenig hast du ja noch nie gefischt.«
    »Ach herrje, beim Fischen braucht man Glück«, antwortete er. »Es wird der Mond sein …« Trotz all dem Mondschein musste er aber doch etwas zum Vorzeigen nach Hause bringen – Sie verstehen schon, einen Aal, zwei Karpfen, drei Döbel und ein Kilo Ährenfische, anstandshalber

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