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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini
Autoren: Pennacchi Antonio
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wollen die Revolution. Wollt ihr vielleicht zufällig auch die Revolution?«
    »Aber ums Verrecken nicht, das solltest du nicht mal im Spaß sagen«, antworteten ihm Treves, Turati und Kompanie. »Wir sind Reformisten, wir wollen schließlich nicht die Revolution hier und jetzt, wir wollen eine Reform nach der anderen, Schritt für Schritt.«
    »Giolí, besteh nicht darauf! Wir können einfach nicht in die Regierung. Nein. Wenn du willst, mach du unsere Reformen, mach sie allein.«
    Seither wollte Giolitti nichts mehr von ihnen wissen. So war er nun mal – heute mit dem einen und morgen mit wem anderen –, und er nahm es auch nicht so genau mit Freund oder Feind. Wenn er im Parlament eine Stimme brauchte, kaufte er sie sich vom erstbesten Dahergelaufenen; genauso wie heute, wenn man’s genau nimmt, so dass alle sagen, er wäre der Erfinder des Trasformismo gewesen. Stellen Sie sich vor, er war es, der die Kronzeugenregelung erfunden hat: Er bekämpfte die Camorra, indem er Camorristen in Dienst nahm, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er auch die Mittelinks-Regierung erfunden. Vor über hundert Jahren. Die Reformisten waren es, die nicht mitmachen wollten, und so hat er eben die Democrazia Cristiana erfunden.
    Was ist, Sie lachen? Informieren Sie sich erst einmal vernünftig. Bis wenige Jahre zuvor waren die Katholiken nicht einmal zur Wahl gegangen, hielten sich aus dem politischen Leben heraus – sie mischten sich nicht ein –, weil der Papst es ihnen ausdrücklich verboten hatte, gleich nachdem die Bersaglieri 1870 unter Kanonendonner durch die Porta Pia in Rom eingezogen waren und Rom Hauptstadt Italiens geworden war. Der Papst konnte diese Schlappe nicht verwinden. »Wie konntet ihr euch das nur erlauben? Rom gehört mir, oder besser, dem heiligen Petrus, und es war eine Todsünde von euch, dass ihr hier eingezogen seid und es mir weggenommen habt, also exkommuniziere ich die Savoyer und den ganzen italienischen Staat; anständige Christen dürfen nichts damit zu tun haben. Non possumus, non expedit .« Die Leute damals fackelten nicht lang.
    1905 aber begann der Papst, ein Auge zuzudrücken – »Na gut, es ist nicht mehr wirklich eine Todsünde« –, nur weil damals alles voll war mit Sozialisten, die die Sonne der Zukunft predigten. Und da sagte er: »He, lasst mich auch einen Schachzug machen, bevor es zu spät ist.« Und damals war es, nach diesem Einlenken Pius’ X . und nach der Weigerung der Sozialisten, in die Regierung einzutreten, dass Giolitti anfing, sich mit den Katholiken einzulassen, und er überzeugte sie davon, ein Wahlbündnis mit ihm einzugehen, in dem sie – in den Wahlbezirken, wo sie nicht sicher waren, den eigenen Kandidaten durchsetzen zu können – den Leuten empfahlen, seinen Kandidaten zu wählen. So ist die Democrazia Cristiana entstanden, also hat Giolitti auch die erfunden. Aber Schuld war nur Turati, das sagten jedenfalls meine Alten.
    Ich kann Ihnen nicht sagen, ob sie recht hatten. Turati wird sicher seine Gründe gehabt haben, und aus dem Abstand von Jahren betrachtet – wenn man sieht, wie die Revolution in der Sowjetunion ausgegangen ist, mit dem Gulag und all dem Zeug, so dass sie selbst am Ende sagten »Schluss damit, kehren wir um, kehren wir zurück zum Kapitalismus, da geht’s einem besser; es gibt zwar vielleicht keine Gleichheit und keine Gerechtigkeit, dafür aber Freiheit, Spülmaschinen und Farbfernseher« –, sagen Sie mit gutem Grund: »Na bitte, Turati hatte recht!« Das sagen Sie jetzt, man muss aber sehen, wie das damals war. Wären damals nicht diejenigen gewesen, die wirklich die Revolution machten wie in Russland, hätten die Kapitalisten vielleicht keine Angst bekommen, so dass sie sagten: »Na ist gut, bevor sie auch bei uns die Revolution machen, geben wir ihnen ein paar Reformen.« Was wissen wir denn schon, wie es gelaufen wäre?
    Und ich will keinesfalls um jeden Preis schlecht über Turati reden. Das waren nur meine Alten. Meiner Meinung nach war das ein sehr tüchtiger Mann, denn die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe ist nicht nur Verdienst des Faschismus, das stimmt nicht, gemeinsam mit Nitti hatte auch Filippo Turati schon darüber nachgedacht, 1919, nach dem Ersten Weltkrieg. Da war ein Freund von ihm, Omodeo, ein Ingenieur, der wollte überall künstliche Seen anlegen, um Wasserkraftwerke zu bauen, und ein anderer – Serpieri, ein Experte für Trockenlegungen und Landwirtschaft –, die mit der Banca Commerciale in
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