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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Libyen-Krieg reiste er ein bisschen herum und kam auch bei uns in der Gegend vorbei, und so ging mein Großvater zur Kundgebung auf der Piazza, zusammen mit den älteren Söhnen. Bevor wir losgingen, melkten wir aber unsere Kühe und brachten den Stall in Ordnung, denn wir waren zwar auch im Streik, natürlich, und auf den Feldern für den Grundherrn zu arbeiten – und dabei womöglich gesehen zu werden – kam gar nicht in Frage. Im Gegenteil, Großvater war der Erste, der im Wirtshaus »Streik, Streik« brüllte. Aber unsere Kühe, nein. Sollten wir sie etwa verhungern lassen? Sollten wir zulassen, dass ihnen die Euter platzten? Wir melkten sie, sonst entzündeten sich die Milchdrüsen. Und als die Kühe gemolken und der Stall in Ordnung gebracht waren, gingen wir auf die Piazza. Was, sollten wir etwa zu Hause bleiben?
    Mussolini war großartig, er eroberte alle im Flug. Der Chef der Liga hatte noch kaum gesagt: »Ich stelle euch den Genossen Mussolini vor«, da hatte der mit einem einzigen Blick schon sämtliche Fensterscheiben an der Piazza zum Erzittern gebracht. Er hat nicht auf die Nationalflagge gespuckt wie Rossoni in Amerika, aber es hätte nicht viel gefehlt. Sie haben ja keine Vorstellung, was er imstande war, diesen vier Schurken an den Kopf zu werfen, allen voran Giolitti, dem » höflichen, falschen Piemontesen«, seiner Ansicht nach der Schlimmste von allen: »Bei all dem Hunger, den es hierzulande gibt, und bei all den armen Leuten, die Tag für Tag von Pfaffen und Herrschenden ausgebeutet und ausgeblutet werden, gehen wir hin und greifen diese armen Kaffern an, um sie auch zu Sklaven zu machen? Schämt euch!«, sagte Mussolini. »Besonders Giolitti und Bissolati.« Wie mein Großvater behauptete, wenn der Mann etwas zu sagen hatte, dann sagte er das klipp und klar, der dachte nicht lange darüber nach, der nahm kein Blatt vor den Mund.
    Einmal – ich glaube, das war in Lausanne in der Schweiz, wohin er ebenfalls vor einem Haftbefehl geflohen war – machte er einen Priester, der alles schlechtredete, in aller Öffentlichkeit zur Schnecke. Dann holte er oben auf der Tribüne seine Uhr aus der Tasche und stellte sie gut sichtbar an den Rand des Rednerpults und sagte: »Es ist an der Zeit, mit diesem hier und seinem Chef Schluss zu machen, Gott existiert nicht, und ich liefere euch den Beweis dafür. Ich fordere ihn heraus. Wenn er existiert, gebe ich ihm drei Minuten Zeit, mich auf diesem öffentlichen Platz mit seinem Blitz zu treffen. Passiert das hingegen nicht, heißt das, dass es ihn nicht gibt. Drei Minuten, habe ich gesagt, und damit basta«, und er schwieg, die Uhr in die Luft reckend, volle drei Minuten lang. So gesagt, scheinen drei Minuten nichts, das wissen Sie auch; aber warten Sie mal drei Minuten lang schweigend, und Sie werden sehen, wie lang die sind. Und auch »Ich bin Atheist, Gott existiert nicht« ist leicht gesagt. Aber glauben Sie mir: Damals auf der Tribüne in Lausanne, da war alles voller Sozialisten, Atheisten und Pfaffenfresser, aber sobald Mussolini sagte »Ich gebe ihm drei Minuten«, schlichen sich die Leute nach und nach davon, und es wurde leer um ihn.
    Er wartete drei Minuten lang, unerschütterlich, und sobald sie um waren, wickelte er die Uhrkette auf, steckte die Uhr wieder in die Westentasche und sagte befriedigt: »Was habe ich euch gesagt? Ich bin gesund und munter: Gott existiert nicht.« Da brach ein Beifall los, da machen Sie sich gar keine Vorstellung. Aber auch ein allgemeines Aufatmen der Erleichterung: »Aaaah.«
    Jedenfalls als die Kundgebung vorbei war – die bei uns, 1911 wegen Libyen – und er von der Tribüne herunterkam, drängten sich die Leute um ihn, um ihn zu begrüßen und dann noch etwas trinken zu gehen, wie das üblich war. Auch Großvater machte Anstalten, ihn zu begrüßen, wenn auch etwas schüchtern, weil er glaubte, er würde sich nicht erinnern. Sobald Mussolini ihn aber erblickte, rief er laut: »Peruzzi! Das tut mir wirklich leid, dass ich diesmal nicht zu euch zum Essen kommen kann, ich muss weiter. Aber die Gelegenheit wird sich ergeben, das garantier ich dir.«
    Als Großvater hörte, dass er diesmal nicht zum Essen kommen würde, stieß er einen Seufzer der Erleichterung aus, fast wie die Einwohner von Lausanne, weil er nicht vom Blitz Gottes getroffen worden war, und als sie auf dem Wagen nach Hause fuhren, beugte er sich zu Onkel Pericle, der neben ihm saß, und sagte lachend und scherzend zu ihm, aber auch wieder nicht zu

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