Canale Mussolini
das hast du mir bei deinem armen Onkel geschworen.« Und Ende Oktober oder vielleicht in den ersten Novembertagen, als die Aussaat schon begonnen hatte und sie bemerkte, dass der Bauch wuchs – sie war schon über den fünften Monat hinaus –, traf sie eines Tages Schwager und Schwägerin allein, sie waren im Kämmerchen für das Saatgut und dabei, die Samen auszusortieren. Sie trat ein und schloss die Tür hinter sich. Sie schauten sie von unten nach oben an – weil sie auf den Säcken saßen –, und sie sagte: »Vielleicht wäre es besser, ihn fortzuschicken, den Paride …«
Sie standen auf, Tante Clelia mit einem Seufzer, der ein Seufzer der Erleichterung schien, und sagten: »Ja, Armida, du hast recht … Danke.«
»Und ihr werdet nie irgendjemandem sagen, dass er es war. Nie und nimmer, niemandem.«
»Nie, Armida, nie!«
»Schwört es! Schwört auf Pericle«, und Armida weinte.
»Wir schwören es! Danke, Armida, noch einmal danke«, und am nächsten Tag ging Onkel Temistocle nach Littoria zum neuen republikanischen Fascio im Agro Pontino, dem ersten in ganz Italien, wie Sie wissen, der hier neu gegründet wurde.
Gleich nach dem 8. September – nachdem der König und Badoglio erklärt hatten: »Halt! Waffenstillstand! Wir hauen ab«, den Plattenspieler im Radio angestellt und sich aus dem Staub gemacht hatten – waren die Deutschen, ihrer Ansicht nach zu Recht, hingegangen und hatten auf dem Gran Sasso den Duce befreit, der dort Gefangener Badoglios war, hatten ihn nach Deutschland geschafft, wo Pavolini und die rabiatesten Bonzen ihn schon erwarteten, und hatten ihn eine neue Partei und eine neue Regierung bilden lassen. Am 16. September konnte ein Sprecher von Sender München die Gründung einer Republik in den von den Deutschen kontrollierten Gebieten Italiens ankündigen – der Repubblica Sociale Italiana, RSI – und die Wiederaufnahme des Krieges an der Seite des deutschen Verbündeten. Jetzt hatten wir also zwei Regierungen: die des Königs im Süden, verbündet mit den Angloamerikanern und ihrem Kommando unterstellt, die andere im Norden unter Oberbefehl der Deutschen.
Doch die Menschen in ganz Italien glaubten nicht sonderlich daran – »Aber das ist nur ein Sprecher, das ist doch nicht die Stimme des Duce, wer weiß, vor wie langer Zeit Badoglio den Duce schon umgebracht hat« –, und auch die überzeugtesten Faschisten blieben skeptisch. Es war nötig, dass der Duce sich zwei Tage später – am 18. September 1943 um fünf Uhr nachmittags – mit seiner eigenen Stimme über Sender München direkt zu Wort meldete: »Schwarzhemden! Italiener und Italienerinnen! Nach langem Schweigen erreicht euch heute meine Stimme, und ich bin sicher, ihr erkennt sie wieder, die Stimme, die euch in schwierigen Momenten zur Sammlung gerufen hat und mit euch gemeinsam die triumphalen Erfolge des Vaterlands gefeiert hat …«, und von da an zogen wir alle miteinander, wie Sie wissen, mit Hurra noch einmal los, bis zum bitteren Ende.
Es war der 18. September, ich sagte es bereits, aber schon zwei Tage zuvor – also am 16., dem Tag, an dem der Flughafen bombardiert wurde – und ohne die Beglaubigung durch die lebende Stimme zu brauchen, nur auf die Erklärung des Sprechers hin, war in Littoria der neue republikanische Fascio gegründet worden. Die Peruzzi schrieben sich natürlich alle sofort in den Reihen der Miliz ein, auch wenn da am Anfang nicht viel zu tun war, mit anpacken bei der Räumung des Flughafens von den Trümmern, die Löcher zuschütten und das Rollfeld wieder ein bisschen in Ordnung bringen. Innerhalb der Regierung der RSI gab es allerdings große Auseinandersetzungen über die Rolle der neuen Miliz und der republikanischen Streitkräfte.
Verteidigungsminister Graziani wollte um jeden Preis die allgemeine Wehrpflicht. Man musste zwangsweise einrücken – das Gesetz Graziani –, und wer es nicht tat, galt als renitent und Deserteur. Da mochten seine Ministerkameraden ihm noch so gut zureden, vor allem Renato Ricci: »Grazià, nehmen wir nur die Freiwilligen; die anderen lassen wir in Ruhe, nach allem, was sie durchgemacht haben, sind sie schon wütend genug, und du willst sie wieder in den Krieg zwingen? Nehmen wir nur die, die wirklich kommen wollen.« Aber nein: »Sie müssen verpflichtet werden zu kommen«, sagte Graziani. Da flohen die Leute lieber in die Berge, denn sie hatten die Nase gestrichen voll vom Fascio und von dem mittlerweile verlorenen Krieg: »Basta!«, sagten sie.
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