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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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und Bleistiftzeichnungen, von denen es noch heute in den Häusern der Peruzzi jede Menge gibt. Gelegentlich kamen sie und ließen sich ihre Essensration aufwärmen, und sie waren immer äußerst respektvoll und höflich, abends setzten sie sich mit ihnen zum Plaudern hin und hielten meine Vettern im Arm, und jedes Mal wenn sie ein Paket von zu Hause erhielten, kamen sie gleich zu Tante Santapace, um ihr ein wenig Schokolade oder echten Kaffee abzugeben, und sie machte Luftsprünge vor Freude, denn echten Kaffee gab es nirgendwo mehr, wir tranken nur Malz- oder Zichorienkaffee. Oder das Surrogat »Miscela Leone«.
    Gut, Sie müssen jetzt nur versuchen sich vorzustellen, was in dieser Nacht vom 16. September, als der Fughafen bombardiert wurde, bei denen dort los war. Sie lagen genau in der Anflugschneise der Bomber, auf der Route, auf der die Wellingtons vom Meer her angeflogen kamen. Sie drehten bei, gingen bis auf ihre Höhe runter – um präzise auf die Landebahn zielen zu können –, als ob sie landen wollten. Stattdessen luden sie aber Bomben ab, zogen wieder hoch, flogen einen weiten Bogen und kamen wieder zurück, bis sie kein einziges Ei mehr im Laderaum hatten. Stellen Sie sich vor, was das gewesen sein muss, das Dröhnen dieser Maschinen, die einem wieder und wieder über den Kopf flogen, die Bomben auf den nicht einmal zwei Kilometer entfernten Flughafen, der Feuerschein und die Flammen, die Schüsse von den Kanonen und den MG s unserer deutschen Stellung und das Krachen und Heulen der Motoren beim Hochziehen und Wenden der Kampfjäger, die uns entlang der Bahnen unserer Leuchtspurmunition aufspürten, uns gelegentlich mit ein paar MG -Salven bedachten oder auch mal eine Bombe eigens für uns herabließen.
    Zum Glück trafen sie uns nicht. »Das ist der Weltuntergang«, sagte Benassi und dachte nur an seine Kinder. Nicht dass man sonst etwas hätte machen können. Wenn man hinausging – dachte er –, war es schlimmer, da war man Maschinengewehrsalven und Bombensplittern mehr ausgesetzt. Das Einzige war, im Haus zu bleiben – es war ein Häuschen von der Almende, ein Erdgeschoss mit Dachstuhl drüber; aber es war hübsch, und nachmittags konnte man in den Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen zwischen den Dachziegeln hereinfielen, die Staubkörnchen tanzen sehen –, und um zu vermeiden, dass einem womöglich das Dach auf den Kopf fiel, musste man versuchen, sich unter dem Küchentisch in Sicherheit zu bringen. Und so machte er es. Als weitere Vorsichtsmaßnahme legte er noch Matratzen obendrauf. Die beiden älteren Töchter Norma und Tosca legte er unter den Tisch und er sich mit dem Bauch auf sie darauf: »Ich will zuerst sterben, verdammt noch mal.«
    Sie dagegen, Tante Santapace, war nicht zu bewegen, auch unter den Tisch zu kriechen. Sie half ihm, alles herzurichten und die Matratzen obendrauf zu legen, doch dann blieb sie stehen, lief zur Haustür raus und wieder rein, mit dem kleinsten Kind – meinem Vetter Otello – auf dem Arm, dem ersten Jungen, der damals nicht älter als ein halbes Jahr alt war und den sie noch stillte. Sie lief rein und wieder raus bis zur Straße, direkt vor die Flakstellung, und rief dem Deutschen, der auf die feindlichen Flugzeuge schoss, zu: »Knall ihn ab, knall ihn ab! Los, du kannst ihn erwischen. Schieß auch auf den da, Hans, auf den!«
    Onkel Benassi dagegen brüllte unter dem Tisch hervor: »Komm hierher, Santapace, komm hierher! Der Schlag soll dich treffen, so was Verrücktes.«
    »Ich komm gleich, ich komm gleich«, und rannte weiter raus und rein.
    »Komm heeer!«
    »Ich komm gleich, ich komm gleich.«
    »Dann gib mir wenigstens den Jungen, erschlagen soll es dich und den Tag, an dem ich dich getroffen hab. Gib mir meinen Sohn!«
    Schließlich gab sie ihn ihm, und er schob sich auch noch Otello unter den Bauch. »Ich will zuerst sterben … aber dich, Santapace, wenn dich die Amerikaner nicht umbringen …«, denn er war überzeugt, das wären Amerikaner, dabei waren es Engländer – »dich bring ich persönlich um, sobald dieser Krawall zu Ende ist und ich hier rauskomme.« Und sie lief wieder hinaus und kam nicht mehr zurück. Sie schrie jetzt nicht mehr bloß »Knall ihn ab, knall ihn ab«, sondern diente am Geschütz, hatte sich als vorderstes Glied in der Reihe der Deutschen gestellt, die sich unter dem Geschützturm die Munition weiterreichten. Ab und zu schaute sie bei der Haustür hinein – während der ganzen drei Stunden des Bombardements –, um

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