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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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den Kindern zu zeigen, dass sie da war: »Wie geht’s?«, fragte sie.
    »Geh doch zum Teufel«, antwortete von unter dem Tisch hervor Onkel Benassi, und sie lachte. Kreischte »Knall ihn ab, knall ihn ab« und kehrte wieder zum Geschütz zurück.
    Wie bitte, was sagen Sie? Ich habe nicht verstanden.
    Ja, ja, da haben Sie diesmal völlig recht: Das muss man zugeben, dass sie alle ein bisschen verrückt waren, diese Peruzzi (aber glauben Sie mir, damit waren sie nicht allein. In Latina gibt es einen Psychiater, der hat die Theorie vom »Pioniersyndrom« aufgestellt: Wenn man sich anschickt, als Pionier Sümpfe trockenzulegen und damit die Gewalten des Kosmos, der Götter und der Natur herauszufordern, kann man ja gar nicht alle Tassen im Schrank haben; irgendwas stimmt da nicht ganz. Wir hier sind alle ein bisschen verrückt. Einschließlich dem Psychiater, wahrscheinlich). Zur Verteidigung von Tante Santapace sollten Sie allerdings bedenken, dass die da bis vor wenigen Tagen unser deutscher Verbündeter gewesen waren. Erinnern Sie sich noch an das Lied?
    Willkommen, Kamerad Richard,
    stell den Sack ab, pass auf, man rutscht aus,
    der Feind steht auf der anderen Straßenseite …
    Sprich leise, man hat dich schon gesehen.
    Einundzwanzig, selber Jahrgang wie ich …
    Das hier, siehst du, ist mein erstes Kind,
    und du bist verlobt in Berlin,
    und ihr wohnt in der Krausenstraße?
    Wenn meine Mutter das jetzt wüsste,
    dass ich einen echten Freund gefunden hab!
    Kriegskameraden,
    Kameraden eines Geschicks,
    die Brot und Tod teilen,
    die bringt auf Erden nichts auseinander!
    Kamerad Richard, drei Minuten …
    zwei Minuten … eine Minute … Attacke,
    mein Name ist in die Jacke eingenäht.
    Fertig? Los! Der Himmel steh uns bei!
    Kamerad Richard, wie das Maschinengewehr
    singt dort auf dem Platz …
    Denk an Salvetti Nicola,
    Vico Mezzocannone fünfzig.
    Heute birst die ganze Erde,
    aber wir beide sind ein Herz und eine Seele.
    Kriegskameraden,
    Kameraden eines Geschicks,
    die teilen Brot und Tod,
    die bringt keiner auseinander.
    Abgesehen von den Schwüren – Kameraden hin oder her –, dieser »Kamerad Richard« war dann wirklich da und verteidigte mit seinem Leben den Boden und die Höfe, die der Duce uns gegeben hatte und die wir fruchtbar gemacht hatten. Ich will ja nichts sagen über Diktatur und Rassengesetze und alles Übel, das sie über das Land gebracht haben, und dass sie es in die absolute Katastrophe gestürzt haben. Aber Sie sollten doch auch versuchen, sich in unsere Lage zu versetzen. Jeder hat seine guten Gründe. Und, wer sollte denn Ihrer Meinung nach für uns der Feind sein: diejenigen, die unsere Höfe und unseren Boden verteidigten, oder diejenigen, die sie bombardierten? Entscheiden Sie selbst.
    An diesem Abend kam jedenfalls auch die Sache mit Paride und Armida allmählich heraus. Schon am Nachmittag – als sie gegangen war, sie sauber zu machen – waren ihre Bienen um sie herumgeschwirrt und hatten nur immer wieder gesagt: »Geh heut nicht zum Kanal, summ summ . Geh heut nicht dorthin.«
    »Ja, bin ich denn verrückt?«, lachte sie. »Und ob ich hingeh, ihr neidischen Biester.«
    Aber als dann gegen neun die Hölle losbrach – sie hatte beim Licht der Acetylenlampe eben den kleinen Menego in der Laubhütte schlafen gelegt, und Paride hatte gerade das Netz ins Wasserbecken hinuntergelassen –, da dachte sie sofort: »Die Bienen haben es mir gesagt, ich soll nicht herkommen!«
    Vorher, auf dem Weg hierher, war der Junge auf ihrem Arm eingeschlafen, und als sie ihn ablegte und mit einem Zipfel der Decke zudeckte, hatte er sich geräkelt, sie angelächelt, sich auf die Seite gedreht und war wieder eingeschlafen. Sie hatte ihn angesehen und ihm auch zugelächelt. Dann hatte sie sich umgewandt und war zum Wasserfall hinuntergegangen, um Paride anzulächeln. Aber sie war noch nicht dort angekommen, als Menego zu schreien anfing, sie machte kehrt und lief zu ihm. Im gleichen Augenblick aber – oder genauer, den Bruchteil einer Sekunde nach Menegos erstem Schrei – wurde es taghell, und die Reflexe des bengalischen Lichts zuckten wie Blitze über den Wasserlauf des Canale Mussolini, der nun selbst wie ein langgezogener Blitz wirkte, ausgehend von unserer Schwelle über die ganze Länge des Kanals bis dort ganz weit hinten, jenseits der Brücke der Via della Sorgente. Und sofort vom Flughafen her die Bombenexplosionen – buum bambam bumbum bam – und hohe Flammen und Feuerschein auf der anderen

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