Canale Mussolini
und alle zusammen gründeten sie den Fascio. Onkel Pericle war auch dabei, und das Programm, das Mussolini vorstellte, gefiel ihm gut, weil es die Ehre der Soldaten verteidigte, es wurde Zeit, dass das Vaterland sich dankbar erwies und vor allem den Bauern Land gab, denn die Bauern waren es schließlich, die es bestellten und die den Krieg gewonnen hatten.
»Hast du gesehen?« sagte Rossoni nach der Versammlung zu ihm, während sie die Piazza San Sepolcro verließen. »Wir sind noch dieselben wie früher.«
Mussolini sah er aus der Ferne, oder besser, auch von nahem, aber er war zu sehr umlagert von geschäftigen Leuten, alle mit Rangabzeichen und Orden, auch an den Zivilmänteln, und er selbst – Mussolini – bewegte sich mittlerweile wie einer, der zu tun hat, der Bescheid weiß und wichtige Strippen zieht. Meinem Onkel fehlte der Mut, ihm zu sagen, ich bin’s, Peruzzi. »Was soll dem denn heute noch an einem Peruzzi liegen«, dachte er. »Das Wichtigste ist, dass er unsere Interessen vertritt«, und so wurde er Faschist. Ja, er machte den Faschismus. Oder besser: Er war auch dabei, als er gemacht wurde.
Er war aber Soldat in Mailand, er war schließlich nicht bei sich zu Hause, konnte also nicht kommen und gehen, wie er wollte. Er unterstand Befehlen, er ging aus, wenn man ihn ausgehen ließ, und so hat er in jener Zeit nicht sonderlich viel für den Faschismus getan, wenn er konnte, ging er hin, hörte sich ein paar Reden an, Punkt aus. Nur ein einziges Mal, Mitte April, nahm er an einer Sache teil, um sich gegen eine Kolonne von Roten zu wehren. Damals, Mitte April, bewegte sich ein Zug von Roten auf die Via Paolo Cannobio zu, wo der Sitz des »Popolo d’Italia« war. In der Tat hatten wir mit den Sozialisten nichts mehr gemein. Feinde mittlerweile – wir hier, sie da –, denn sie waren gegen den Krieg gewesen, jetzt waren sie gegen die Soldaten und machten weiter so, wie sie es immer gehalten hatten: viele Reden und wenige Taten, oder so sagten jedenfalls die Meinigen. Und wenn sie rot waren, mussten wir im Gegensatz dazu schwarz sein, auch wenn wir nicht auf Seiten der kapitalistischen Bourgeoisie standen, sie dagegen auf Seiten des Proletariats. Wir standen nicht auf Seiten verschiedener Klassen, wenigstens am Anfang nicht. Schauen Sie sich das Programm von San Sepolcro an, wir waren ganz einfach Konkurrenten bei der gleichen Klasse der arbeitenden Bevölkerung, und man musste nur sehen, wer das Kommando hatte. Vielleicht hassten wir uns deshalb so sehr, weil wir Brüder waren, die sich entzweit hatten. Menschen hassen einen historischen Feind nie so sehr, wie Brüder sich hassen können. Romulus und Remus. Kain und Abel.
Dieser Sitz wurde »Der Bau« genannt, und es bestand die Gefahr, dass sie ihn angreifen würden. Mein Onkel war auf dem Weg zum Puff zufällig mit seinen Freunden dort vorbeigekommen; als sie aber diesen Menschenauflauf sahen, gingen sie zusammen mit den anderen raus und prügelten sich mit den Roten. Mit Knüppeln und Stöcken. Da waren aber auch welche, die schossen – Revolverschüsse auf beiden Seiten –, und nachdem die anderen abgezogen waren, sind die Unsrigen zum Büro des »Avanti« und verwüsteten es. Mein Onkel und seine Freunde sind zurück in die Kaserne, die Uniformen in Unordnung, und denen war alles klar, denn mittlerweile hatte es sich in ganz Mailand herumgesprochen, und alle sagten, dass an dem Überfall auf den »Avanti« Soldaten beteiligt gewesen waren. Aber die Oberen taten so, als wäre nichts. Der Leutnant sagte nur: »Passen Sie auf, dass das nicht wieder vorkommt«, aber im Grunde waren sie froh, denn die Faschisten waren auf Seiten der Soldaten, die im Krieg gekämpft hatten, sie waren selbst ehemalige Kämpfer, während die anderen, die Roten, dagegen waren. So drückten sie ein Auge zu und sagten »Basta«, und Onkel Pericle wurde versetzt.
Er wurde einer Pioniereinheit in Rom zugeteilt, die die Versorgung der Truppe mit Pferden regelte. Das Heer bewegte sich noch fast ausschließlich auf Mulis und Pferden, auch die Artillerie und alle anderen Waffengattungen, sogar die Ambulanzen der Sanitäter. Seine Aufgabe war es, die Pferde in Cisterna di Roma abzuholen. Sie wurden in die Eisenbahnwaggons gepfercht, und als Sohn eines Fuhrmanns kannte er sich damit aus. Sie verschickten sie nach ganz Italien, wo sie in den einzelnen Heeresteilen gebraucht wurden, und manchmal begleiteten sie sie auch, auf Heu und Stroh liegend, fütterten sie, wenn es nötig
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