Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
Vom Netzwerk:
war, ab und zu an Haltestellen füllten sie die Tränken mit Wasser und ließen sie saufen, und wenn – durch das Rattern des Zugs oder durch das Gerüttel über den Weichen – ein Pferd Angst bekam, scheute und anfing auszuschlagen, redeten sie ihm gut zu: »Ganz ruhig, Liebes, ganz ruhig«, und hielten es am Zaumzeug fest. Doch gelegentlich gaben sie ihnen auch mit der Faust eins auf die Schnauze oder Stockhiebe in die Flanken, denn was sein muss, muss sein, und wenn es im Guten nicht geht, dann muss man eben zu härteren Methoden greifen, wie Großmutter immer sagte. Und so bis Mitte 1920, als Onkel Pericle im Frühsommer entlassen wurde und nach Hause kam. »Das schöne Leben ist vorbei«, dachte er irgendwie traurig bei sich, »aber auch das Unwetter; jetzt geht’s zurück nach Hause, und wir fangen wieder auf dem Feld an, wie früher.«
    Letztlich hatte er nur durch Rossoni mit dem Fascio zu tun gehabt. Schön, ein paar Mal war er in den »Bau« in der Via Paolo da Cannobio gegangen und hatte auch beim Angriff auf den »Avanti« mitgemacht, aber nur weil die anderen vorher zum »Popolo d’Italia« gekommen waren und um Rossoni einen Gefallen zu tun – der ein Freund der Familie war –, vor allem aber, weil er nichts anderes zu tun hatte, als armer kleiner Soldat in Mailand. Wo sollte er denn hin? Man konnte ja nicht einfach irgendwen anquatschen oder mit einem Dienstmädchen Streit anfangen. Keiner hörte einem zu. Immer unter sich – unter Soldaten – sollten sie bleiben. Und einmal ins Kino, ein Mal ins Puff, und sei es auch zum ermäßigten Soldatentarif, da war der Sold gleich weg, und dann hatte man wirklich nichts mehr, wohin man gehen konnte. Also gingen sie zum Fascio. Das war eine Ablenkung. Ein Zeitvertreib. Und als er dann nach Cisterna geschickt wurde, war er regelrecht froh. Er hatte mit Pferden zu tun, war im Freien, und die Zeit verging rasch. Die wenigen Male, die sie nach Rom hineinkamen, reichte ihm der in Wochen angesparte Sold, um ununterbrochen im Bordell zu bleiben. So war er in Rom nie zum Fascio gegangen, nur zu den Huren.
    Im Übrigen sah es nicht so aus, als hätte der Faschismus Fuß gefasst. Auf den ersten Blick ja – in Mailand –, mit all den Herrschaften und Geschäftsleuten, die sagten: »Ah, endlich gibt es da diesen Faschismus, der für ein bisschen Ordnung sorgt, es ist ja nicht mehr auszuhalten mit dieser Anarchie der Roten, immer Streiks, immer Chaos.« Aber auch in Rom und in Cisterna hatte man bald von dem Debakel vom 16. November 1919 gehört, als der Fascio bei den Wahlen in Mailand angetreten war, und zwar nur in Mailand, um gut dazustehen. Alle hatten gedrängt, auch Rossoni: »Warum nur in Mailand? Treten wir überall an.«
    Aber Mussolini, nein: »Anderswo sind wir nicht stark genug, man kennt uns nicht einmal, und wenn wir nur wenige Stimmen bekommen, sagen die Leute, was ist denn das für ein Verein, die Pensionistenpartei? Und da soll ich mitmachen? Und so haben wir sie für immer verloren. Besser, wir treten hier in Mailand an, und basta, hier sind wir stark und erzielen ein gutes Ergebnis, eine Menge Abgeordneter, und anderswo, wo man uns noch nicht kennt, heißt es dann: Da schau einer an, die sind aber stark, beim nächsten Mal wähle ich die auch.«
    Nur dass sie – und das wissen Sie auch – an jenem 16. November 1919 keine müde Stimme bekamen. Eine furchtbare Schlappe. Von all diesen Herrschaften und Geschäftsleuten, die gesagt hatten: »Ah, ich wähle euch«, hat sie keiner gewählt. Sie haben die Liberalen von Giolitti gewählt, die Katholische Volkspartei und natürlich die Sozialisten. Die Faschisten keiner. Kein einziger Abgeordneter. Und die Sozialisten zogen mit einem Sarg auf den Schultern durch Mailand und sagten, das sei Benito Mussolini. Ja, sie druckten sogar ein Plakat und schrieben im »Avanti«, es sei eine »Leiche im Zustand der Verwesung aus dem Naviglio gefischt worden. Wie es scheint, handelt es sich um Benito Mussolini.«
    Es schien also aus und vorbei: »Wenn die sich in Mailand nicht durchgesetzt haben, wo sie stark sind«, sagten die Leute, »wo sollen sie sich dann durchsetzen? Das war bloß ein Strohfeuer.«
    Also dachte auch mein Onkel, während er von Cisterna aus Pferde ins Land verschickte, nicht mehr an den Fascio und hatte ihn begraben. »Es tut mir leid für sie, die Ärmsten, aber an diesem Punkt wird sich um die Politik Giolitti kümmern und ich mich um die Huren.« Im Grunde, er war zwanzig, was ging ihn das

Weitere Kostenlose Bücher