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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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schon an? Das mit den Huren war ein schönes Spiel, das er erst kürzlich entdeckt hatte, nicht wie die Politik, die, mit der er groß geworden war und die vor allem ohne großen Nutzen war, weder für ihn noch für seine Familie, da sie immer auf der Seite der Verlierer standen.
    So kam Onkel Pericle glücklich und zufrieden nach Haus, und er konnte es kaum fassen, dass er sein Leben auf den Feldern und mit den Tieren wieder aufnehmen sollte wie gehabt. »Die eine oder andere Hure wird sich auch bei uns hier finden.«
    Jetzt nach dem Krieg wirkte aber die Politik in den Alltag hinein. Der Feind saß im Wirtshaus neben dir. Rote und die Sozialisten auf der einen, Faschisten auf der anderen Seite. Wer sollte uns je wieder zusammenbringen? Wir vertrugen uns nur mühsam mit Großvaters Bruder und seinen Söhnen, die mit uns im selben Gehöft wohnten. Grund, Äcker, Vieh, Werkzeug und Vorräte, alles war aufgeteilt: dir das Deine und mir das Meine. Wie früher halfen wir uns aus, und wenn einer einen Karren brauchte, nahm er ihn sich, als ob es seiner wäre. Aber man wusste von allem ganz genau, was deins und was meins war, auch wenn man abends im Stall immer noch beisammensaß, Geschichten und Märchen erzählte und vor dem Schlafengehen über dies und jenes redete. Aber nichts von Politik. In stillschweigendem Einvernehmen hatten wir aufgehört, mit unseren Verwandten über Politik zu reden. Sie rot und wir schwarz, besser, man verlor kein Wort mehr darüber. Nur genügte es nicht, nicht davon zu reden, die Politik war im Alltag. Und auch wenn Onkel Pericle, als er zurückkam, in den Puff hätte gehen wollen und Schluss aus, musste er sofort wieder ins Geschirr, wie ein Gaul.
    Als er heimkam, hatten sie unseren pagliaio schon niedergebrannt. Zweimal hatten sie uns den angezündet. Und einmal den Heuschober. Den Heuschober konnten wir aber retten. Tante Bissola, die mit richtigem Namen Bissolata hieß, das Zwillingsmädchen, bemerkte es. Sie war ganz anders als die anderen. Wenn sie nachts aufwachte und Pipi musste, war sie sich zu fein, das wie alle Christenmenschen auf dem Topf zu machen. Damals gab es auf dem Land schließlich keine Toiletten, das war draußen beim Misthaufen. Für nachts gab es unter den Betten Töpfe aus Keramik oder öfter noch aus emailliertem Metall, weiß, vielleicht mit Blümchen verziert, aber alle eine bisschen angeschlagen. Tante Bissola, nichts zu wollen. Schon als kleines Kind hatte sie sich davor geekelt, ihren kleinen Popo dorthin zu setzen, wo andere schon den ihren hingesetzt hatten – »Die Prinzessin vom Pipi«, sagte Onkel Adelchi, die beiden konnten sich nie leiden –, und da rief sie die Schwester: »Modigliana!« Sie weckte sie mitten in der Nacht: »Komm mit raus, ich muss pinkeln.«
    »Aber piss doch in den Topf, dass dich der Teufel hol …«
    »Komm mit, ich hab Angst«, und da stand die andere auf, sie war ein Engel und ging mit, sogar im Winter, wenn draußen Eis oder Schnee war. Und so kam es, dass Tante Bissola – als sie nachts rausging, um nicht in den Topf pinkeln zu müssen – die Flamme sah, ein erstes Flämmchen, neben dem Heuschober. Sie kreischte und rannte sofort los, sie hörte sich entfernende Schritte, und dann die Brüder, die herbeieilten, direkt aus den Fenstern sprangen, die einen mit Wassereimern, die anderen mit Decken und großen Besen. Und der Heuschober war gerettet. Aber der pagliaio nicht.
    Den pagliaio hatten sie uns – bevor Onkel Pericle zurückkam – schon einmal niedergebrannt. Auch da muss es Sache eines Augenblicks gewesen sein: Feuer legen und nichts wie weg, und während man davonrennt, brennt das Ding schon lichterloh, man kann nicht näher hingehen, die Flammen versengen einem das Gesicht auf fünfzig Meter Entfernung.
    Was sagen Sie? Es kann Selbstentzündung gewesen sein? Das Mädchen könnte sich die Schritte eingebildet haben? Aber ich bitte Sie, dieses Mädchen war zwölf Jahre alt. Sie konnte einen Haushalt führen, konnte zuschneiden und nähen, und die Tiere im Stall bekamen Angst, wenn sie sie nur hörten, ich sage es noch einmal, sie war eine Schlange, eine giftige Natter. Und die soll sich getäuscht haben? Und hat man denn je eine Selbstentzündung bei Nacht gesehen? Sie haben uns den pagliaio angezündet und fertig, um uns etwas anzutun.
    Wie sagen Sie? Was ein pagliaio schon sein soll? Das ist doch nicht die Welt? Aber wir waren Bauern, keine Hufschmiede. Für uns war Stroh wie Brot, es war ein Reichtum, nicht bloß

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