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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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ein Abfallprodukt des Getreides und fertig. Wir brauchten es für die Streu der Tiere, aber nicht nur, damit sie es bequem hatten und kein Rheuma bekamen, sondern für den Dung, den Mist. Die Viecher verrichteten ihr Geschäft auf dem Stroh, das vermischt mit der Scheiße auf dem Misthaufen zu Dung wurde, pures Gold für die Erde, der wir neuen Saft, neue Kraft zuführten, denn auch sie wird mit der Zeit unfruchtbar.
    Für den Bauern ist das Stroh Leben, und uns hatten sie schon einen pagliaio niedergebrannt und versucht, den Heuschober anzuzünden. Zum Glück wusste Großmutter, dass der pagliaio gefährlich ist. Das hatte sie von ihren Brüdern gelernt und es gleich bei der Heirat auch meinem Großvater Fuhrmann gesagt. Und allen Söhnen, die nach und nach zur Welt kamen, sagte sie es jedes Jahr beim Dreschen wieder: »Zuerst rammt man in der Mitte einen Pfahl in die Erde, hoch und schön gerade, dann legt man rundherum eine Schicht Heu an und geht nach und nach in die Höhe.« Aber die erste Schicht musste sorgfältig angelegt werden, die Oberfläche immer schön glatt gestrichen. Man geht nicht her und wirft das Stroh mit der Heugabel hin, wie es gerade kommt, denn dann wird der pagliaio schief und fällt um; der Pfahl kann ihn nicht mehr halten, neigt sich zur Seite, und alles fällt in sich zusammen. Deshalb muss man das Stroh mit der Heugabel fein säuberlich verteilen, nicht einfach hinwerfen, sondern in immer gleich dicken Schichten anlegen, so dass das Gebilde gleichmäßig wächst, bis es ganz hoch ist, dann bilden die Männer von unten eine Kette, wobei sie die Karren als Plattform benutzen: Eine Gabelladung vom Boden auf den Karren, und vom Karren aus dann weiter nach oben, die Gabel in die Höhe und den Arm gestreckt. Der pagliaio wird ganz hoch, und in den nächsten Tagen sackt er ein bisschen in sich zusammen, wenn sich das Gewicht setzt und allmählich die Luft entweicht. Hat man ihn schlampig gemacht, sackt er schief ein und fällt in den nächsten Tagen um. Hat man ihn aber sorgfältig gebaut, bleibt er fest und gerade übers ganze Jahr stehen, wird weniger in dem Maß, in dem man Stroh davon wegnimmt und in den Stall bringt, bis Mitte Juni, wenn kein Stroh mehr am pagliaio ist und man den Tieren keinen Halm mehr geben kann. Doch da wird auch schon das neue Getreide gemäht, es wird gedroschen, und einer neuer pagliaio ersteht – ersteht wieder auf – für das kommende Jahr.
    Nun, jedes Jahr beim Dreschen richteten meine Onkel den Pfahl auf, um den pagliaio anzulegen, und immer kreischte Großmutter: »Weiter weg, weiter weg, setzt ihn weiter weg«, denn sie wusste und wir alle wussten, dass dieses Ding gefährlich ist. Wie nichts kann es in Flammen aufgehen – es ist eben Stroh, schlimmer als Benzin –, und im Nu steht es ganz in Flammen. Eine einzige Stichflamme, sehr hoch und mächtig. Und im Nu greift sie auf alles ringsum über. Sie haben ja keine Ahnung, bei wie vielen Leuten der pagliaio in Flammen aufgegangen ist und dann durch einen Funken auch Haus und Stall abgebrannt sind. Alles hin, Vieh und Kinder, in der Wiege erstickt oder unter dem einstürzenden Dach im Haus eingekeilt. Und nun denken Sie sich, wie Onkel Pericle sich gefühlt haben muss, als man ihm, kaum war er wieder zu Hause, erzählte, was geschehen war. »Aber wer war das?«, fragte er nur.
    »Wer weiß?«, antworteten sie ihm. Die von der Liga waren gekommen – die Roten, die Sozialisten von der Camera del lavoro – und hatten gesagt, dass jeder Pächter eine gewisse Anzahl an Landarbeitern einstellen musste, »Einstellungsquote der Arbeitskräfte« nannten sie das. Es herrschte große Arbeitslosigkeit, und da hatten sie gesagt: »Auf so und so viel Hektar Land müssen so und so viele Tagelöhner kommen, und die Pächter müssen sie einstellen.«
    Ich sehe ein, wenn man das so hört, kann einem das auch richtig erscheinen, denn ich bin ganz Ihrer Meinung, dass die Arbeit – wie der Reichtum – unter allen aufgeteilt werden sollte. Aber wir auf unserem Grund brauchten all diese Arbeiter nicht. Wer sollte die denn bezahlen? Wir waren Halbpächter, gut und schön, der Grundbesitzer gab das Land, wir die Arbeit, und die Ernte wurde geteilt. Aber auch die Ausgaben wurden durch zwei geteilt: das Saatgut, die Vorräte und eventuelle Arbeitskräfte von außen, Tagelöhner. Auch dafür mussten die Ausgaben geteilt werden. Und wer gab uns dieses Geld? Sicher, wenn ein paar Tagelöhner wirklich nötig waren, weil die Arbeit zu

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