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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Fronturlaub heimkam und seinen Sohn vorfand. Er war ganz glücklich, und sie heirateten, er und die strahlende Braut. Strahlend, weil sie es sich gerichtet hatte, sagte meine Großmutter, sie konnte es gar nicht fassen, von der Dienstmagd zur Herrin geworden zu sein, wie hätte sie sich das auch erwarten können, von den casoni und den Ställen zur Pächterin aufzusteigen? Vor Liebe strahlende Braut, dachte hingegen Onkel Temistocle, aber auch alle anderen, die sie mit dem Bräutigam an der Seite und dem Kind auf dem Arm vor dem Altar stehen sahen. Taufe und Hochzeit in einem. Das Kind wollte Großvater allein auf dem Arm halten, und sämtliche Geschwister, die größeren wie die jüngeren, waren dabei. Nur Onkel Pericle fehlte, der war im Krieg. Großmutter allerdings auch. Sie konnte nicht in die Kirche kommen, weil sie sich nicht wohl fühlte, sagte sie. Die jüngste Schwangerschaft machte ihr zu schaffen, der Bauch wurde ihr schwer. »Solche Stiche!«, sagte sie. »Ich habe solche Stiche«, aber Stiche hatte sie in keiner ihrer Schwangerschaften je gehabt. Nur diese hier machte ihr Beschwerden, und nach ein paar Monaten kam Tante Santapace zur Welt, als Großvater genug hatte vom Krieg, und der Enkel, das Kind von der Tante, war älter als sie, wenn auch nur um zwei Monate, und sie sind zusammen groß geworden, haben miteinander gespielt, als ob auch sie Zwillinge wären wie Modigliana und Bissolata. Zusammengeschweißt fürs Leben.
    Die von der Liga hatten jedenfalls zu Onkel Temistocle gesagt, dass zwangsläufig auch wir eine gewisse Anzahl von Tagelöhnern nehmen müssten, weil wir Halbpächter waren – reiche Halbpächter und Faschisten –, und mein Onkel hatte gesagt: »Aber was heißt hier Halbpächter und Faschisten, wir sind arme Leute, wenn ich eure Leute nehme, wo sollen denn wir dann arbeiten gehen? In der Einstellungsquote beim Heiligen Antonius? Schert euch zum Teufel.« Da sind sie abgezogen, aber ein paar Tage später stand abends der pagliaio in Flammen, und wäre Tante Bissola nicht gewesen, wäre auch der Heuschober abgebrannt. Um bis Juli – bis zum Dreschen und zum frischen Stroh – durchzukommen, mussten wir welches zukaufen, auf Pump, denn ein bisschen Stroh brauchte man für die Tiere.
    Das war also die Situation, die Onkel Pericle vorfand, als er vom Militär nach Hause kam. Er hatte sich umgesehen, sich alles erzählen lassen und dann Onkel Temistocle nur gefragt: »Wer war das?«
    »Wer weiß«, hatte der Bruder geantwortet.
    »Du willst es nicht wissen!«, hatte er nachgehakt.
    »Und wenn es so wäre? Manchmal ist es besser, nichts zu wissen«, und Onkel Pericle schwieg. Temistocle war der Ältere, und bei Licht betrachtet, hatte er auch recht. Was sollte man da machen, etwa Krieg anfangen? »Wir wollen nur hoffen, dass es damit vorbei ist«, sagte Onkel Temistocle sanft.
    Was soll ich Ihnen sagen, nicht dass ich unbedingt Partei für meine Onkel ergreifen will. Im Gegenteil, ich verstehe die von der Liga, sie hatten ihre guten Gründe. Sie waren arbeitslos, so viel Hunger, so viel Elend, sie lebten in den casoni , alle durcheinander wie das Vieh. Es ist klar, dass sie Arbeit wollten und bei meinen Onkeln danach fragten, weil die in einem Haus mit Zimmern und Betten darin wohnten und Vieh hatten, zu essen und zu arbeiten. Für die waren sie reich. Meine Onkel dagegen fühlten sich arm und mussten arbeiten. Und sie arbeiteten hart. Nicht dass ihnen irgendjemand was geschenkt hätte. Und wenn die sagten »Aber mir gibst du nichts«, antworteten meine Onkel: »Ja, warum gehst du denn nicht zum Grundbesitzer? Geh zum Grafen, wenn du den Mut dazu hast. Warum kommst du zu mir, der ich doch auch kaum mehr habe als du?«
    Aber wo sollten die den Grafen finden? Er war schließlich nicht da, in Reichweite. In Reichweite waren dagegen wir, wir hatten mehr zu essen als sie, und sie kamen und wollten es uns wegnehmen. Was sollten sie sonst tun? Sie kamen zu uns, genauso wie heutzutage die Immigranten zu uns kommen. Aber wissen die denn nicht auch, dass in neun von zehn Fällen das Boot kentert und sie ertrinken? Da können Sie ihnen lang gut zureden und sagen: »Pass auf, in neun von zehn Fällen krepierst du.« Die entgegnen einem: »Das weiß ich, aber wenn ich zu Hause bleibe, krepier ich in jedem Fall.« So ist das Leben, jeder macht Klimmzüge, um voranzukommen und es besser zu haben. Und steigt über die anderen hinweg, und worüber soll er denn sonst steigen? Die Afrikaner sehen den

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