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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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sie zählte und nummerierte – der Verwalter daneben, damit wir nicht betrogen –, wieder andere holten mit der Heugabel unter der Dreschmaschine das Stroh hervor und brachten es zum pagliaio .
    Unterdessen zogen noch die Ährenleserinnen über die Felder – Frauen aus den casoni , arme Leute und Kinder, denen nicht von Rechts wegen, aber nach allgemeinem Brauch erlaubt war, nach der Mahd über die Felder zu gehen, sie Furche für Furche abzusuchen und die Ähren einzusammeln, die beim mehrmaligen Umladen zufällig heruntergefallen und liegen geblieben waren, kurz, sie hatten auch eine Tätigkeit – aber bei uns hatten sie wenig zu tun, denn Großmutter war wie ein Feldwebel, die kleinen Kinder alle raus zum Ährenlesen, solange es auch nur noch ein bisschen hell war. »Schaut genau hin, lasst keine einzige Ähre übrig, das ist Brot.« Wenn sie aber die Frauen aus den casoni abziehen sah, zufrieden mit einer unerwartet üppigen Ernte, dann setzte es – klitsch, klatsch – Schläge auf den Hinterkopf aller unserer Kinder: »Schaut nur, was ihr angerichtet habt.«
    Auch in diesem Jahr droschen wir aber gemeinsam mit unseren Verwandten, erst unseren Weizen, dann ihren. Und gemeinsam richteten wir den pagliaio auf, aßen und tranken mit den Erntearbeitern auf der Tenne und tanzten zur Musik der Ziehharmonika bis in die Nacht.
    Einen Monat lang schliefen meine Onkel dann reihum draußen beim pagliaio , denn man weiß ja nie. Und so ging das weiter, immer reihum, den ganzen August hindurch und bis Anfang September, als es schon etwas kühl wurde, um draußen zu schlafen, auch wenn man im Stroh lag. Im Dorf schien alles bestens. Meine Onkel redeten auch wieder mit denen von der Liga. Natürlich nicht alle – Onkel Pericle nicht –, Onkel Temistocle aber wohl, auch mit dem Pellegrini, dieser Art Jugendfeind von Onkel Pericle. Und Onkel Adelchi erst, mit dem Großvater im Gasthaus: »Schwamm drüber, was passiert ist, ist passiert, wir sind doch alle Brüder«, vor seinem Glas Wein. Bis es wirklich kühl wurde und Onkel Adelchi eines Abends, als er dran gewesen wäre, sagte: »Ich geh nicht, sie sind bestimmt nicht so gemein.«
    Die Brüder sagten: »Wir gehen nicht mehr raus.«
    Nur Onkel Pericle setzte sich zur Wehr: »Ich gehe«, und eine Woche lang ging er immer allein, die anderen zogen ihn auf, bis auch er genug davon hatte: »Sie kommen ja doch nicht«, und er schlief im Haus.
    Und in derselben Nacht um Mitternacht, beim Schlag der Kirchturmuhr von Codigoro, während alle schliefen und kein Tierlaut zu hören war – weder das zirp zirp der Grillen noch das wau wau der Hunde, nicht einmal das iah! eines Esels –, weckte ein Geräusch Tante Bissola. Ein Knistern weckte sie – sie war wie eine Schlange, sie hörte das Gras wachsen –, von diesem Knistern ist sie aufgewacht. Und das war noch gar nicht das eigentliche Knistern, nur der Anfang davon, denn wenn das Feuer wirklich greift, dann ist das nur noch eine einzige enorme Stichflamme, wummm . Sie hörte eine Idee von Knistern. Und hatte noch gar nicht die Augen offen, da schrie sie auch schon im Schlaf: »Feuer! Feuer!«
    Sofort rissen alle die Augen auf und sahen noch vom Bett aus, wie von draußen ein Lichtschein durch die Fenster auf die Wände fiel und die Zimmer taghell erleuchtete. Alle sprangen auf, und jetzt bellten die Hunde – wau wau – bis nach Codigoro hinein. Auch die Katzen bellten, und die Tiere im Stall schrien vor Angst muuu, muuu , die Kälbchen und die Esel, die Mulis und die Pferde, die Gänse, Hühner, Truthähne. Sogar die Kaninchen schrien.
    Meine Onkel waren schon durch die Fenster hinausgesprungen, und unsere Verwandten packten auch mit an. Nicht beim Löschen, dazu war keine Zeit mehr, der pagliaio war hin. Das Feuer loderte hoch und hatte ihn schon ganz erfasst. Aber alles Übrige musste gerettet werden. Also lief einer in den Stall, um die Tiere loszumachen und rauszuführen – weit weg, auf die Weide im Freien –, denn oft genug hatte das Feuer auf den Stall übergegriffen. Andere waren sofort oben auf den Dächern – vor allem die Frauen –, um mit ihren Morgenröcken die anfliegenden Funken zu ersticken, andere kippten eimerweise Wasser rings um den Heuschober, um zu verhindern, dass sich das Feuer am Boden ausbreitete. Und während noch alle rannten, während jeder auf seinem Posten war und Großmutter von der Mitte der Tenne aus die Operationen befehligte – es war noch keine Minute vergangen, seitdem Tante Bissola

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