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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Hunger, der bei ihnen herrscht, und da müssen sie zwangsläufig zu uns kommen, wo sollen sie denn sonst hin?
    Unseren Verwandten jedenfalls, die im selben Gehöft wohnten wie wir – Großvaters Bruder und seine Kinder, Peruzzi wie wir, die heute noch in Norditalien wohnen –, die auch ihren Heuschober und ihren pagliaio hatten, schön weit weg gerückt vom unseren, auf der anderen Seite des Hauses, denen ist nie was passiert. Sie waren Sozialisten geblieben und nahmen weiterhin an den Versammlungen der Liga teil, sie waren auch zu ihnen gekommen, aber sie waren Freunde, waren Genossen, man wollte sich auf beiden Seiten entgegenkommen; jene hatten zehn verlangt, und am Schluss einigten sie sich auf zwei, und jeder war’s zufrieden.
    Im Juli, als es Zeit für die Weizenernte war, rückten die von der Liga noch einmal mit finsterer Miene bei uns an und baten uns, Leute anzustellen. »Das ist die Einstellungsquote.«
    »Raus hier«, sagte Onkel Pericle zu ihnen, denn diesmal stand er mit der Heugabel in der Hand mitten auf der Tenne: »Raus! Ihr kommt mir nicht ins Haus«, sagte er, die Heugabel gegen sie erhoben.
    Die zogen wieder ab, als wären sie nie da gewesen, überhaupt nicht überrascht oder enttäuscht. Sie hatten das so erwartet. Sie mussten gekommen sein, um notfalls zu den anderen sagen zu können: »Schaut, wir waren dort.« Und als sie lachend und scherzend schon die ersten Schritte auf der Straße gegangen waren, drehte nur einer sich um, Pellegrini – einer, den wir von Kindesbeinen auf kannten und seit jeher schon nicht leiden konnten, und das allein hätte schon genügt, um zu zeigen, dass das eine Finte war, denn sonst, wollte man wirklich eine Einigung mit uns erzielen, hätte man nicht den Pellegrini schicken dürfen –, nur der drehte sich also um und sagte zu meinem Onkel Pericle: »Pluster dich nicht so auf, Peruzzi, sonst stutzen wir dir noch das Gefieder.«
    »Komm doch her und stutz es mir, wenn du den Mut dazu hast«, und wollte ihm schon hinterherlaufen. Aber die anderen gingen weiter, und auch er – »Lach nur, lach nur, lacht ihr nur« – kehrte zurück auf die Tenne.
    Großvater und Onkel Temistocle versuchten dann, im Gasthaus mit jemand von der Liga zu reden, der noch ihr Freund war, um zu sehen, ob ein Kompromiss möglich war: »Kommt uns entgegen, gebt uns einen Rabatt, wir nehmen zwei, und alles ist in Ordnung.«
    Nichts zu machen. »Entweder alle oder keinen«, lautete die Antwort. »Ihr seid Faschisten und wollt Rabatt?«
    Wir waren die einzigen Pächter in der Gegend, die die Einstellungsquote nicht erfüllten. Oder besser gesagt, mein Großvater und meine Onkel hätten sie auch erfüllt, aber mit einem gewissen Rabatt. Am Ende haben wir niemand genommen. Wir haben die Weizenernte aus eigenen Kräften bewältigt – wie wir das im Übrigen immer gemacht hatten – und dabei auch noch unseren Verwandten geholfen, und sie uns. Auch gedroschen haben wir gemeinsam, unsere Garben auf einem Haufen, ihre daneben und in der Mitte die Dreschmaschine. Das war noch eine von diesen dampfbetriebenen Maschinen mit hohem Schornstein, die mitsamt dem Kohlewagen von einem Ochsengespann gezogen hergebracht worden war. Damals musste man das Getreide noch von Hand mähen, mit der Sense – alle in einer Reihe –, man band die Ähren zu Sträußen und fügte diese dann zur Garbe zusammen. Dann kam der große Ochsenkarren vorbei, die Garben wurden aufgeladen und auf die Tenne gebracht. Ein riesiger Haufen, höher als der pagliaio . Schließlich kam die Dreschmaschine, davor, um sie anzutreiben, die Dampfmaschine mit ihren Transmissionsriemen und Riemenscheiben, die den Dreschmechanismus und die Siebe in Bewegung setzten. Und wehe, man kam zu dicht an die Riemen heran. Wenn sie einen erfassten, war man hin. Manchmal rissen sie und fuhren wie riesige Schlangen in der Luft herum, peitschten alles im Umkreis von zwanzig Metern, und viele Leute hatten sich schon verletzt, und es waren auch welche tot geblieben. Zum Dreschen brauchte man einen Haufen Leute. Es war der Höhepunkt im landwirtschaftlichen Jahresablauf, das ganze Jahr arbeitete man auf diesen Tag hin. Einer bediente oben die Maschine, die anderen reichten vom Garbenhaufen aus mit der Heugabel das Getreide weiter hinauf an die, die es in die Dreschmaschine füllten. Unten hielten welche den Sack auf, der nach und nach mit Getreide volllief, andere trugen die Säcke auf den Speicher, Säcke von je einem Doppelzentner. Dort war einer, der

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