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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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ist die Demokratie in Italien zu Ende, ich herrsche allein. Es ist Diktatur.«
    All das geschah ’24 – während wir noch im Jahr ’20 waren –, aber das sollte Ihnen begreiflich machen, was für ein Typ Balbo war, einer, der vor nichts Angst hatte und sich mit Rossoni nicht verstand. Er stammte aus Ferrara, Rossoni dagegen aus Trisigallo, und Balbo behandelte ihn wie einen vom Land. Balbo war ein brillanter junger Mann – er war Jahrgang ’96, fast so alt wie meine Onkel, zwölf Jahre jünger als Rossoni –, nicht viel gelesen, aber aus guter Familie. Im Krieg war er Offizier gewesen, er verstand nichts von Politik, geschweige denn von Arbeitern oder Bauern. Rossoni dagegen hatte Das Kapital von Karl Marx gelesen, Cafiero, Bakunin und all die anderen. Balbo war ein Mann der Aktion, aber er stammte aus Ferrara, und wie man weiß, führen sich die Ferraresen, selbst wenn sie Straßenkehrer von Beruf sind, auf, als ob sie der Fürst von Este wären. Ja, sie sind auch wirklich Abkömmlinge des Fürsten, denn dazumal galt, wenn man sich verheiratete, das jus primae noctis , das erste Mal mit der Braut stand dem Fürsten zu. Daher haben alle Ferraresen Erbgut ihres Fürsten im Blut, und so ist die vornehme Art in ihre DNA mit eingegangen, sie sind weltgewandt und wissen sich in Gesellschaft zu bewegen; lauter Adelige und Geschäftsleute, selbst die ärmsten Schlucker, vor allem die aus der Stadt. Und Balbo stammte eben aus der Stadt, und deswegen konnte Rossoni ihn nicht leiden. Aber er beherrschte hier schon alles, und nicht nur, weil er Offizier gewesen und bei den Soldaten beliebt war, von Taktik und Strategie etwas verstand, ohne sie je studiert zu haben – er hatte eben das ganze Erbgut des Fürsten im Blut –, obendrein besaß er auch noch persönlichen Mut, und etwas Besseres kann es für einen Kommandanten gar nicht geben. Aber abgesehen vom Mut und den militärischen Fähigkeiten, Balbo wusste sich in Ferrara zu bewegen. Von Arbeitern und Bauern wusste er nichts, und er war damals auch nicht in San Sepolcro, als mein Onkel Pericle dabei war und der Fascio gegründet wurde. Er hatte das nicht mitbekommen, dass der Fascio links war, zwar Rivale der Sozialisten, aber ebenfalls revolutionär und proletarisch. Er war ein Offizier, der den Krieg mitgemacht hatte, er stammte aus guter Familie, war Ferrareser und hatte, wenn es drauf ankam, wenig Lust zu arbeiten. Als er aus dem Krieg heimkehrte und sah, dass die Roten Krawall machten und auf die Soldaten schimpften, fiel ihm dieser Fascio auf, der sich als einzige Kraft gegen die Subversiven wandte. Da sagte er sich: »Das ist der richtige Ort für mich. Jetzt mach ich hier auch einen Fascio auf«, und setzte sich – wegen der Finanzierung – mit den Reichen und Mächtigen von Ferrara in Verbindung, den Unternehmern und Großagrariern.
    Außer Geld verschafften ihm die auch jede Art von Protektion bei Gerichten, Präfekten, Stadtverwaltung und Carabinieri. Und er stellte eine Truppe zusammen. Woher, glauben Sie denn, dass die Karabiner, Maschinengewehre und Handgranaten kamen, die meine Onkel im Haus herumliegen hatten? Und die 18 BL, mit denen sie überall herumkurvten und Camere del lavoro in Brand steckten? Sicher, irgendwas mussten die Herrschenden im Ausgleich wohl dafür bekommen, aber meinen Onkeln missfiel Balbo nicht. Besser gesagt, nicht dass sie auf Du und Du mit ihm gewesen wären oder dass er jemals bei uns gegessen hätte oder wir bei ihm. Balbo sahen sie aus der Ferne, vor oder nach einer Aktion womöglich oder bei Aufmärschen oder Versammlungen. Aber für sie war er drüben, auf der anderen Seite, der Kommandant, und sie hier, die Truppe. Er verkehrte mit seinesgleichen – Rechtsanwälten, Grafen, Grundbesitzern –, bestimmt nicht mit unsereinem. Im Übrigen hätten wir das auch gar nicht gewollt. Wir waren anders: wir Bauern, er ein Fürst mit blauem Blut in den Adern. Aber faszinierend, ganz ohne Frage. Auch er hatte enormes Charisma, fast so wie Mussolini.
    Aber irgendeinen Vorteil mussten die Großagrarier von der Sache doch haben, und meinem Onkel Pericle ließ diese Frage keine Ruhe, und einmal, als Rossoni aus Mailand gekommen war, fragte er ihn: »Erklärt mir doch bitte dieses Bündnis mit den Grundbesitzern. Nicht, dass die dann wütend werden, wenn es so weit ist und sie das Land an die Bauern abtreten müssen! Um es uns geben zu können, muss man es doch jemand anderem wegnehmen, und es scheint mir unwahrscheinlich, dass das

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