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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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nicht die Grundbesitzer sein sollten. Ihr sagt, die werden nicht wütend? Mir erscheint das ein merkwürdiges Bündnis, denn am Schluss muss doch einer von beiden der Gelackmeierte sein. Entweder wir oder sie, Rossoni.«
    »Siehst du, Peruzzi, du musst verstehen …«
    »Erklärt mir nur, ob San Sepolcro noch gilt oder ob es außer Kurs ist.«
    »Es gilt, es gilt«, sagte Rossoni. »Aber du musst verstehen, hier muss man sehr behutsam vorgehen, eins nach dem anderen. Erst kommen wir an die Macht, und dann richten wir alles so ein, wie wir wollen. Um aber dorthin zu gelangen, muss man Bündnisse eingehen, sich auch mit denen verständigen, die nicht so denken wie wir. Denn wenn wir nicht an die Macht gelangen, dann wird es wieder sein wie schon so oft: Viele Kämpfe, viel Chaos ohne Ergebnis.«
    »Hört mal, Rossoni, wir sind jetzt nicht zufällig auch Reformisten geworden?«
    »Hört Ihr mir zu, Peruzzi …«, und hier wandte er sich an alle, vor allem an Großvater, er wusste nicht, dass der sich seit vielen Jahren schon von der Politik verabschiedet hatte und nicht mehr darüber redete, die Söhne machen ließ. Rossoni sagte also: »Hört zu, Peruzzi … um an die Macht zu kommen und etwas zu verändern, müssen wir auch mit dem Teufel unsern Pakt schließen, auch mit dem König. Sogar der Papst kann uns nützlich sein. Aber nachher, wenn wir an der Macht sind, stürzen wir alles um und nehmen uns das Land, das ist dann eine zweite Welle. Aber erst müssen wir an die Schalthebel der Macht gelangen.«
    1922, mit dem Marsch auf Rom, sind wir dann endlich an die Schalthebel der Macht gelangt. »Majestät«, sagte Mussolini zum König, »ich bringe Euch das Italien von Vittorio Veneto«, was heißen sollte, dass das alles Kämpfer waren – das bäuerliche Proletariat, das den Krieg gemacht und gewonnen hatte –, und die standen alle hinter ihm. Am 4. November 1918 war bei Vittorio Veneto die letzte große Schlacht gegen die Österreicher gewonnen worden, bevor der Waffenstillstand kam. »Das, was übrig ist vom einstmals mächtigsten Heer der Welt, flieht überstürzt und verzweifelt durch die Täler hi n auf, durch die es mit so stolzer Zuversicht herabgezogen ist. Gezeic h net Diaz, Firmato Diaz« , lautete die Siegesnachricht, die dann überall plakatiert wurde, und Sie haben ja keine Vorstellung, wie viele Leute in diesen Jahren, wenn sie einen Sohn bekamen, gleich zum Standesamt liefen: »Firmato! Den hier nennen wir Firmato, wie Diaz.« Es wimmelte nur so von Firmatos. Meine Onkel dagegen – wenn sie im Wirtshaus irgendwas Wichtiges gesagt hatten – schlossen ebenfalls gern mit »Firmato Peruzzi!«, begleitet von einem kräftigen Fausthieb auf den Tisch. Aber auch, wenn sie ein Ass ausspielten. Vor allem Großvater: »Firmato Peruzzi!«
    Zu diesem Italien von Vittorio Veneto – das Mussolini dem König brachte – gehörten auch meine Onkel. Mussolini hatte den Hebel umgelegt, und sie waren losgezogen. Großmutter war dagegen. Es war Ende Oktober, es hatte schon erste Regenfälle gegeben, und die Felder waren bereit für die Weizenaussaat.
    Als Großmutter sah, wie in den letzten Oktobertagen, am 25. oder 26. – das Saatgut stand in Säcken schon parat, im kleinen Pferdestall, der dafür extra sauber gemacht worden war –, die ganze Mannschaft ihre Rucksäcke packte, sich von den Schwestern die schwarzen Hemden waschen und bügeln ließ, die Waffen ölte und zu ihr sagte: »Backt bitte ein bisschen Brot, Mama, wir müssen los«, geriet sie außer sich vor Wut: »Ja, wo wollt ihr denn hin?«
    »Nach Rom.«
    »Nach Rom? Ja, warum nicht noch weiter weg? Hier muss noch gesät werden, ihr Mistkerle. Wer soll denn das tun, dass euch der Teufel hol …«
    Die aber brachen alle miteinander auf – die älteren Söhne, der historische Kern –, und auch diesmal fehlte wenig, und Tante Bissola hätte sich wieder angehängt. Es waren also Onkel Temistocle, Onkel Pericle, Onkel Iseo, Treves, Turati, der sechzehn war, und diesmal auch Onkel Adelchi; als sie sahen, wie er sich ebenfalls fertig machte, wollte es keiner glauben. »Du kommst auch mit? Aber was willst du denn da? Ist es nicht besser, einer bleibt zu Hause?«
    »Bleibt ihr doch«, entgegnete er, während er sich Brillantine ins Haar schmierte.
    Zu sechst brachen sie auf, und Sie sehen ja, da sind auch noch Fotos von allen meinen Onkeln, wo sie in Milizuniform posieren – Fotos, die später gemacht wurden, im Agro Pontino, als alle schon erwachsen waren

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